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Kapitel 81 – Fast am Ziel

 

 

 

Ginta legte eine kurze Verschnaufpause ein, als sie endlich wieder das Erdgeschoss erreichten, von dem sie mit dem Aufzug aus in den Keller gefahren waren.

 

Er stützte sich auf seine Knie und holte tief Luft.

 

Bald war es soweit, dann stünde er dem Boss der Shal gegenüber und dann konnte er endlich seinem großen Wunsch nachgehen. Dann konnte er sich endlich für seine Eltern und für Soijitonoma rächen und für all die, die durch die Shal großes Leid erlitten.

 

Es waren nur noch Denji, Shiana und Ryoma, die neben ihm standen. Die Gruppe hatte sich stark dezimiert.

 

Wann die anderen wohl nachkommen würden? Ginta machte sich Sorgen. Er machte sich Sorgen um Tsuru, weil sie noch so klein war. Wusste aber, dass Kûosa da war um sie zu beschützen. Er machte sich Sorgen um Oto und Sayoko, weil sie ihm doch so ans Herz gewachsen waren und er machte sich auch Sorgen um Ama, Matra und Jumon, die natürlich auch gute Freunde geworden waren.

 

Was würde nun kommen? Ginta wollte nicht, dass seine Freunde verletzt wurden. Aber...

 

 

 

„Wenn wir jetzt wieder in die Eingangshalle gehen, und dort die andere Tür nehmen, die vorher versperrt war, sollten wir nach oben ins Archiv gelangen und dann ist es nicht mehr weit...“, riss ihn Ryoma aus den Gedanken.

 

Shiana und Denji nickten.

 

„Und mit dem abgeschalteten Sicherheitssystem sollte das kein Problem sein, oder?“, hakte Denji nach, während er die Tür zur Eingangshalle öffnete.

 

Doch bevor Ryoma antworten konnte, schloss er die Tür mit einem kräftigen Stoß wieder. In der Eingangshalle standen unzählige Shal, die gerade dabei waren, gegen jemanden zu kämpfen.

 

Denji schluckte. „Was machen wir nun?“

 

„Uns durchkämpfen natürlich...“, murmelte Ryoma.

 

Shiana sah Ginta entschlossen an. Das hieß wohl, dass sie sich wirklich durchkämpfen müssten.

 

Doch auf einmal sprang die Tür auf und ein Typ, der einen dunklen Mantel trug, trat in den Raum und schloss hinter sich wieder die Tür.

 

Er nahm die Kapuze ab und begrüßte die Freunde.

 

„Riven Kire! Was machst du denn hier?“, wunderte sich Ginta.

 

„Ich bin hier um euch zu helfen. Ihr solltet euch wirklich beeilen, Ginta. Der Mond ist der Erde näher denn je und draußen stürmt es richtig. Die Welt wird bald untergehen, wenn wir nichts unternehmen!“

 

„Kommt doch mit uns, zusammen werden wir die Shal zerschlagen“, schlug Ryoma vor.

 

Mit einer Handbewegung lehnte Riven Kire ab. „Wir sind zu schwach von den Kämpfen in der Stadt. Das Einzige was uns noch bleibt, ist euch das restliche Shalgesindel von Hals zu halten.“

 

„Vielen Dank...“, bedankte sich Ginta und verbeugte sich dabei tief. „Es ist wirklich toll dass ihr da seid. Ohne euch wäre das sicher ziemlich schwer geworden.“

 

„Jetzt solltet ihr aber wirklich gehen, wir haben euch gerade einen Weg freigemacht“, meinte Riven Kire und öffnete wieder die Tür.

 

Ryoma, Denji und Shiana rannten schon einmal los, zu der Tür die sie weiter nach oben führen sollten.

 

Ginta hielt noch kurz inne und sah Riven in die Augen. Dann nickte er und folgte den anderen.

 

 

 

Ginta und die anderen stiegen die Treppen nach oben, bis sie endlich zu einem großen Raum gelangten, dem Archiv.

 

Wieder blieb Ginta kurz stehen und dachte nach. Jetzt waren sogar die Leute der Vastus Antishal soweit, dass selbst wenn sie die ganze Zeit gekämpft hatten, einfach nicht aufhören konnten. Ohne diese Unterstützung wären sie wohl nie so weit gekommen.

 

Ginta hob seine rechte Hand und legte sie auf seine Brust. Unter seiner Weste spürte er sein Amulett. Es vibrierte so stark wie noch nie vorher.

 

Er hoffte, dass seine Freunde bald nachkommen würden. Momentan konnte er es sich einfach nicht vorstellen, allein dort oben zu sein und zu kämpfen.

 

So gingen die Vier durch das Archiv, um auf der anderen Seite zur nächsten Treppe zu gelangen.

 

Ryoma sah sich die Regale etwas genauer an. Hier waren lauter Dokumente von Maschinen, alten Religionen und sonstigem wild durcheinander aufbewahrt.

 

Ob er hier etwas über seinen Vater finden könnte? Am liebsten wäre er stehengeblieben und hätte alle Dokumente durchgearbeitet. Doch dann merkte er, wie nervös Ginta neben ihm lief.

 

Er konnte die Dokumente auch dann durchforsten, wenn er die Shal zerschlagen hatte. Jetzt war sowieso kein guter Zeitpunkt sich um seinen eigenen Wunsch zu kümmern, wenn doch die Welt dem Untergang geweiht war.

 

 

 

Shiana konnte den nächsten Treppengang sehen und lief etwas schneller. Denji folgte ihr auf Schritt und tritt. Ihn beschlich schon die ganze Zeit ein eigenartiges Gefühl.

 

Ihm war es nicht ganz geheuer, dass unter ihnen ein Kampf mit hunderten Shal tobte, aber es hier oben so ruhig war. Allgemein war es komisch, dass sie hier so einfach durchspazieren konnten, als wäre nichts.

 

Draußen stürmte es, unter ihnen wurde gekämpft. Diese Stille in dem Archiv verunsicherte Denji.

 

Shiana erreichte die Türe zum nächsten Treppengang und öffnete diese. Genau in dem Moment schnallte eine Dornenpeitsche nach vorne und hätte Shiana fast in den Würgegriff genommen, wären Denjis Reflexe nicht so schnell gewesen, dass er den Angriff der Peitsche abblocken konnte.

 

„Shiana!“, riefen Ginta und Ryoma fast gleichzeitig und stürmten zu ihr.

 

Auf der Seite des Raumes, wo sich die Tür befand, endeten die Regale. Hier war ein breiter Streifen auf dem nichts stand.

 

Am Ende des Raumes stand eine Frau mit giftgrünem, langem Haar. Sie trug ein blutrotes Kleid, mit wild durcheinander angeordneten weißen Balken darauf. Über ihren Schultern trug sie einen langen, schwarzen Mantel aus leichtem Stoff.

 

„So trifft man sich also wieder“, begrüßte sie die Freunde.

 

„Wir kennen dich doch!“, entgegnete Ginta und dachte kurz nach. „Du hast doch damals Hakata terrorisiert! Zum Glück konnten wir dich besiegen... Aber haben Jôô und die anderen dich nicht in den Kerker gesteckt?“

 

Verwundert blickte er Ryoma an, der nur mit den Schultern zuckte.

 

„Glücklicherweise konnte ich mich befreien und nun bin ich gekommen um Rache zu nehmen.“

 

Sie hob ihre Hand an ihr Kinn und lachte.

 

Nachdem Denji und Ginta sicher gegangen sind, ob es Shiana gut ging, wunderte sich Denji, wer diese Frau denn war.

 

Als Ginta ihm die Geschichte knapp erzählte, verstand er, wieso Ryoma und Ginta nicht so gut auf Ashizamani Odoro zu sprechen waren.

 

„Ihr werdet die Welt nicht retten können“, lachte Ashizamani und holte mit ihrer Peitsche aus. Dann schlug sie zu.

 

In Sekundenschnelle zogen Ryoma und Denji ihre Waffen und blockten beide den Angriff ab.

 

„Ginta, hör mir jetzt genau zu...“, fing Ryoma an.

 

Ginta war gespannt, was ihn Ryoma nun zu sagen hatte.

 

„Nimm Shiana und geh weiter nach oben. Spürst du wie nah wir dem Ende sind? Du darfst den Shal nicht die Möglichkeit lassen, die Welt zu zerstören! Geht beide. Denji und ich bleiben hier und halten sie hier fest, dann könnt ihr ungestört die Welt retten, ja?“

 

„Halt, halt... ich soll hier bleiben? Dabei wollte ich doch bei Ginta und Shiana bleiben!“, beschwerte sich Denji. Doch als er dann Ryomas ernsten Blick entgegnet bekam, wurde er stiller.

 

„Ja Ginta“, schloss er sich Ryomas Worten an, „Wir halten diese Frau in Schach!“

 

Ginta hielt kurz inne und sah Shiana an. Ihre blauen Augen sahen auf einmal so entschlossen aus!

 

Dann warf er seinen Blick wieder zurück zu Ryoma und Denji.

 

„Danke für alles“, presste er gerade noch aus sich heraus, bevor seine Stimme versagte. Dann nahm er Shiana an der Hand und beide gingen durch die Tür zum Treppenhaus. Ryoma verschloss die Tür mit einem Brett aus einer der Regalen.

 

Er spürte, dass der bevorstehende Kampf hart werden würde.

 

 

 

Ashizamani seufzte und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

 

„Jetzt konnte Ginta also entkommen“, murmelte sie vor sich hin. „Da wird sich dort oben sicher jemand ganz besonderes freuen.“

 

Auf einmal fuhr sie mit ihrer Zunge über ihre feuerroten Lippen und grinste dann wie eine Verrückte.

 

„Euch darf ich zum Glück fertig machen und an dir, Schwertkämpfer, kann ich Rache nehmen!“

 

„Das werden wir erst einmal sehen“, meinte Ryoma nur und sprach dann zu Denji: „Wir haben noch nicht oft miteinander gekämpft, aber ich hoffe dass du gute Sachen drauf hast.“

 

„Klar“, antwortete Denji lässig. „Der werden wir es zeigen!“

 

Dann stürmten die zwei los und wollten Ashizamani mit ihren Klingenwaffen schaden. Jedoch zückte sie unter ihrem Mantel noch eine weitere Dornenpeitsche hervor und attackierte die Jungs damit.

 

Ryoma sprang in eine der Regalgänge um auszuweichen. Denji krallte seine Tigerkrallen in die Wand und machte eine Art Flickflack um Ashizamani näher zu kommen. Als er seine Krallen wieder aus der Wand zog, nahm er dabei etwas Material mit, das er auf Ashizamani schleuderte. Diese schwang ihre Peitschen aber so geschickt, dass die Gesteinsbrocken schon in der Luft zerbröselten. Als Denji dann eine Öffnung in ihrer Technik vermutete, griff er sie direkt mit seinen Krallen an. Ashizamani bemerkte diesen Angriff aber rechtzeitig und machte nur einen Seitenschritt und schwang dann ihre Peitschen so, dass Denjis Hände von den Peitschen umwickelt waren.

 

Ryoma, der mittlerweile auf einer der Regale geklettert war, nutzte die Gelegenheit dazu aus, einen Angriff von oben zu starten. Er stürzte mit seinem glühenden Schwert auf Ashizamani hinab und versuchte die Peitschen durchzutrennen.

 

Doch bevor er dies schaffte, murmelte Ashizamani etwas Unverständliches und plötzlich fuhr ein Blitz durch die Peitschen, traf Denji und auch Ryoma.

 

Ryoma und Denji, der mittlerweile von den Fesseln gelöst wurde, fielen zu Boden.

 

Der Schwertkämpfer stand wieder auf und half seinem Freund auf die Beine.

 

„Du bist stark“, gab er zu und blickte dabei Ashizamani an.

 

„Ihr habt ja noch nicht alles gesehen!“, brüllte Ashizamani und hob ihre Arme. Dann bewegte sie ihre Peitschen so, dass sie sich spiralförmig um sie herum bewegten. Dann drehte sie ihre Peitschen so schnell, dass man die Bewegung allmählich nicht mehr erkennen konnte und nunmehr ein dunkelgrüner Schleier sie umgab.

 

Auf einmal peitschte dann ein Ende aus diesem Wirbel heraus und traf Ryoma an der linken Schulter.

 

Vor Schreck und Schmerz schrie er kurz, fasste sich dann aber wieder und ging erst einmal einige Schritte zurück. Denji folgte ihm und betrachtete die Wunde, die in seine Schulter gerissen wurde.

 

„Sie ist wirklich stark...“, stellte Denji fest und griff fester in seine Tigerkrallen.

 

Dann attackierte sie die Jungs wieder mit demselben Angriff, zielte diesmal jedoch auf Denji. Selbst aus der weiteren Entfernung hätte sie ihn getroffen, wäre er nicht rechtzeitig ausgewichen. Die Peitsche landete in der Wand und hinterließ einen großen Krater im Gestein der Wand.

 

„Phew... gerade noch“, murmelte Denji.

 

„Wir müssen sie irgendwie angreifen, nur wie?“, überlegte Ryoma.

 

„Wenn wir vielleicht...“, überlegte Denji. „Kannst du sie für mich einen Moment ablenken? Ich habe einen Plan.“

 

Ryoma nickte und griff sie mit dem Schwert an. Währenddessen verschwand Denji hinter einem der Regale.

 

Ryomas Angriffe hatten keine Wirkung, stattdessen bekam er weitere Peitschenangriffe zu spüren, die schwer zu parieren waren.

 

Denji rief nun nach Ryoma, der augenblicklich einige Schritte zurücksprang. Eines der Regale stürzte auf Ashizamani. Denji wollte wohl, dass sie durch die Bewegung der Peitschen sich selbst in einem der Regale verhakt.

 

Als das Regal jedoch umfiel, murmelte Ashizamani wieder etwas vor sich hin, und aus ihrem Wirbel heraus schossen Feuerbälle, die das Regal in die Entgegengesetzte Richtung schleuderte und dessen Inhalt in Brand steckte, was sogleich die kompletten Dokumente des Raumes und die anderen Einrichtungsgegenstände ebenso in Brand setzte.

 

Ryoma stand geschockt da. Er wollte doch die Dokumente durchgehen und nach Hinweisen über seinen Vater suchen. Jetzt war er so nah an seinem Ziel und dann... dann wurde ihm die Möglichkeit einfach genommen.

 

Wut stieg in ihm hoch und er fühlte seine innere Energie in ihm auflodern. Sein Schwert, fing ebenso Feuer, wie alles anderen im Raum. Dann griff er mit seinem brennenden Schwert Ashizamani unentwegt an.

 

Denji hatte sich mittlerweile damit abgefunden, dass sein Plan gescheitert war und tat es Ryoma dann gleich. Wenn sie Ashizamani schon in die Mangel nehmen wollten, dann doch wohl beide gleichzeitig.

 

So fokussierte Denji seine Energie und stürzte sich auch mit Angriffen auf seine Feindin.

 

Ashizamani hatte es schwer damit allen Angriffen der beiden zu kontern. Aber sie schaffte es. Es gab ein Hin und Her der Angriffe.

 

Es war heiß. Das Feuer brannte und der Rauch bildete schwere Wolken, die tief unter der Decke schwebten. Denji und Ryoma schwitzten. Es war anstrengend bei so einer Hitze sich zu konzentrieren und zu kämpfen.

 

Sie wurden immer öfter von den Angriffen ihres Gegenübers getroffen. Ihre Konzentration ließ nach.

 

Ashizamani peitschte immer öfter. Die Dornen rissen tiefe Wunden ins Fleisch, als sie Denji und Ryoma trafen. Als sie dann auf Denji zielte, warf sich Ryoma vor ihn und blockte den Angriff mit seinem Schwert ab. Die Peitsche umwickelte das Schwert und als Ashizamani zog, wurde es Ryoma aus der Hand gerissen. Im selben Augenblick hörte das Schwert zu brennen auf. Es landete am anderen Ende des Raumes.

 

„Ryoma“, schnaufte Denji und legte eine Hand auf Ryomas Schulter.

 

Ashizamani schien kein Mitleid zu haben und griff nun mit beiden Peitschen die Jungs an.

 

„Ich werde die Shal besiegen!“, brüllte Ryoma im selben Moment.

 

Für einen Sekundenbruchteil schloss er die Augen und atmete tief ein. Der Rauch kratzte im Hals.

 

Auf einmal schien die Zeit etwas langsamer abzulaufen. Er sah, wie die Peitschenenden direkt auf ihn zuflogen. Neben ihm stand Denji.

 

Er konzentrierte all seine Energie und stieß seine Arme nach vorne. Denji tat es ihm gleich. Irgendwie spürten die zwei die Energien des anderen.

 

Vor ihren Händen bildete sich für einen kurzen Moment ein kleiner, leuchtender Wirbel, der dann wieder erlosch. Denji merkte, dass Ryoma viel mehr Kraft in sich hatte, als er selbst. Er strengte sich an, seine Kraft noch mehr zu konzentrieren. Irgendwie genoss er es, an so einem spannenden Kampf mit teilzunehmen. Doch sogleich verflogen seine Gedanken wieder.

 

Ein kleiner Blitz schoss aus Denjis Händen und nun war der leuchtende Wirbel wieder da. Er wuchs zu einer großen flammenden gelben Kugel heran, die Ryoma und Denji sogleich zu Ashizamani schickten.

 

Ihr direkter Peitschenangriff wurde im selben Moment zerstört, als die Kugel die Peitschen berührten und sie so in Flammen aufgingen. Ashizamanis Augen weiteten sich, als sie erkannte, dass sie nun verloren hatte. So umhüllte die Energiekugel ihren Körper mit strahlenden Flammen.

 

Kapitel 82 – Die Finsternis

 

 

 

Es fehlten nur noch ein paar Stufen, bis Ginta und Shiana zum Dach gelangten. Dort sollte die Apparatur stehen, die die Welt ins Chaos stürzen sollte. Doch was war dort oben noch? Trafen sie dort auf die stärksten Shal? Trafen sie auf den Anführer? Was war, wenn sich dort nichts befand?

 

Durch Ginta fuhr eine beängstigende Kälte. Nun hatte er nur noch Shiana an seiner Seite. Sollte er nicht vorher noch auf die Anderen warten?

 

Nein, er wollte sie da nicht noch tiefer mit hineinziehen, als er es sowieso schon getan hatte. Er hielt inne und hoffte, dass es seinen Freunden gut ging.

 

Shiana bemerkte, wie Ginta zögerte die nächste Stufe zu nehmen. Dann griff sie nach seiner Hand und Ginta drehte sich um.

 

Sie sah in seine Augen und sie wusste, was er fühlte. Aber sie bekam keine Angst. Sie wusste nicht genau, was das plötzlich für ein Gefühl war, das sie verspürte.

 

Myu sprang aus der Tasche. Sie war auf einmal so unruhig gewesen. Vielleicht spürte sie das Stürmen und Toben von draußen.

 

Ginta konnte nicht länger abwarten. Er musste nun einfach die Tür zum Dach öffnen.

 

Sachte legte er seine Hand auf den Knauf, drehte einmal und dann sprang die Tür auf. Er wollte sie langsam öffnen, aber durch den starken Wind, der draußen herrschte, schlug ihm die Tür gleich entgegen. Ginta schaffte es noch, rechtzeitig einen Schritt zurück zu gehen, sodass ihn die Tür nicht verletzte. So gingen er und Shiana nach draußen. Myu folgte ihnen unauffällig.

 

 

 

Der Wind war stark. Es stürmte und etwas Erde lockerte sich vom Boden und wurde sogar bis auf das Dach getragen. Die kleinen Steinchen taten weh, als sie gegen die Haut schlugen. Der Himmel war schwärzer als jede Nacht. Dunkle Blitze knallten immer wieder auf die Erde ein. Bedrohlich schwebte der riesige Mond über der Erde, die nicht zu beben aufhörte.

 

Ginta blieb noch für einen kurzen Moment stehen. Es war kalt, weswegen er seinen Umhang auszog und ihn Shiana in die Hand drückte, damit diese nicht fror.

 

„Wir sollten vorsichtig sein...“, sagte er mit ruhiger Stimme.

 

Shiana antwortete nicht, nahm nur den Umhang und warf ihn sich um. Sie konnte gerade einfach nichts sagen, da sie wusste, dass ihre Worte kein Gehör finden würden. Ginta war von der einen auf die andere Sekunde plötzlich so anders geworden, so still und nachdenkend.

 

Noch nie zuvor hatte sie ihn so gesehen.

 

Der starke Ginta, der sie immer schützte, der so viele Kämpfe hinter sich brachte und nie aufgab, wirkte plötzlich so ängstlich. Mit zitternden Beinen ging er einen Schritt nach dem anderen. Shiana fühlte wie Gintas Hand, die sie in ihrer hielt, immer heißer wurde.

 

 

 

Das Dach war groß. Sie sahen in der Ferne, am anderen Ende des Gebäudes, dunkle Silhouetten. Als sie näher kamen, entdeckten sie eine riesige Maschine, mit Bildschirmen, Tastaturen und Antennen. Die größte der Antennen, die spiralförmige Verzierungen besaß, hatte an ihrer Spitze eine Art Kristall, der stark leuchtete.

 

Hinter der Maschine schien ein flaches, aber dennoch großes Silo zu stehen, in dem sich wohl die Energiereserven für die Maschine befanden.

 

Ginta musste genauer hinsehen. Saß dort an der Maschine nicht eine kleine Person, die die Maschine zu steuern versuchte? Die Arme bewegten sich wild über die Tastatur und die Person schien auf die Monitore zu starren. Zuerst zögerte Ginta, dann ging er einige weitere Schritte auf die Maschine und auch auf die Person zu.

 

Er blieb stehen. Neben ihm stand Shiana, deren blaues Haar in der Dunkelheit des Sturmes nur schwach als Blau wahrzunehmen war.

 

Myu blieb dicht an ihrer Seite stehen und fauchte.

 

Wer war diese Person, fragte sich Ginta, schluckte einmal, atmete etwas schneller und sprach dann: „Bist du der Anführer der Shal?“

 

Die Person hörte damit auf, die Tasten zu drücken und lachte.

 

Es war die Stimme eines Mädchens. Sie lachte weiter. Ginta und Shiana waren verwundert. Ein Mädchen sollte der Boss der Shal sein? Ein einfaches Mädchen stürzte die Welt ins Chaos?

 

„Sag mir endlich wer du bist!“, brüllte Ginta.

 

Die Person stand auf. Sie war nicht größer als Shiana, hatte kurze, schwarze Haare und trug einen zerfetzten, schwarzen Umhang, der durch den starken Wind flatterte.

 

„Du kennst meinen Namen...“, sprach das Mädchen und drehte sich langsam um. Ihre Haare schlugen ihr ständig ins Gesicht, doch das machte ihr anscheinend nichts aus.

 

Sie hatte dunkelblaue, eigenartige Augen, die schwarz umrandet waren und Ginta erkannte, dass sie eine Schuluniform unter ihrem zerfetzten, löchrigen Umhang trug.

 

Ein starkes Gefühl schoss Ginta durch den Körper, welches ihn fast auf die Knie fallen ließ, als er erkannte, um welche Person es sich bei seinem Gegenüber handelte.

 

 

 

Es war Sora.

 

 

 

Sora Machichima, die er kannte, seitdem er klein war, die mit ihm durch Dick und Dünn gegangen war und die ihn besser kannte, als sonst wer auf der Welt.

 

Sie grinste ihn an. Ihr Blick war so kalt, dass Ginta sich nicht bewegen konnte.

 

Dann ging sie einige Schritte auf Ginta zu und blieb dann jedoch stehen. Sie fasste unter ihren Mantel und holte ein Blatt Papier hervor.

 

„Schön dich wiederzusehen, Ginta. Erinnerst du dich noch an das hier?“, begrüßte sie ihn und hob dabei das Blatt Papier in die Höhe, sodass es fast durch den Wind mit hinauf in den Himmel gezogen wurde. Er erkannte es als den Brief, den er ihr damals geschrieben hatte, als er von Zuhause fortgegangen war.

 

„Ginta...“, murmelte Shiana und zog dabei an seinem Ärmel. „Wer ist das?“

 

„Wer ich bin willst du wissen?“, fragte Sora die nun Shiana etwas näher kam, während Ginta immer noch wie verwurzelt da stand.

 

„Mein Name ist Sora. Du bist wohl Shiana, habe ich recht?“

 

Sora stand nun direkt vor ihr und nahm ihre Hand.

 

„Ja...“, gab Shiana als kurze Antwort.

 

„Schön, deine Bekanntschaft zu machen“, entgegnete Sora und bewegte Shianas Hand näher an ihren Mund heran. Doch dann hielt sie inne und setzte keinen Kuss auf ihre Hand. Stattdessen zog sie Shiana näher an sich, sodass sie Ginta loslassen musste.

 

„Was... machst du hier“, stammelte Ginta vor sich hin und sah zu, wie Sora Shiana von hinten umarmte.

 

„Ich sorge dafür, dass das Mondmädchen bei uns bleibt, wir brauchen ihre Kraft um unseren Plan noch zu ende zu führen“, erklärte Sora und grinste wieder, während sie vorsichtig an Shianas Nacken roch.

 

Shiana versuchte sich nun aus der Umarmung zu lösen.

 

„Lass mich lo...!!“, versuchte sie zu brüllen, jedoch wurde ihr von Sora der Mund zugehalten. Soras schwarze Fingernägel glänzten, als weitere Blitze in die Erde schossen. Shiana versuchte weiter nach Hilfe zu rufen, doch sie schaffte es nicht.

 

„Lass sie bitte los... Sora“, bat Ginta.

 

Immer noch schockiert stand er da, ballte seine Fäuste aber konnte es nicht tun.

 

Warum musste es Sora sein? Warum konnte es nicht irgendwer sein, den er nicht kannte?

 

 

 

„Tja...“, fing Sora wieder an zu sprechen, „Scheint so, als wärst du richtig schockiert, dabei habe ich dir ja noch nicht einmal alles gezeigt.“

 

Sie hob ihre Hände und auf einmal umwickelte ein dunkler Stoff Shiana. Dann sackte das blauhaarige Mädchen auf den Boden und konnte sich nicht mehr rühren.

 

Sora schwang ihre Hand durch die Luft und hinter Ginta bewegte sich das Dach. Die Dachplatten wurden nach oben geschleudert und Dreck wurde aufgewühlt, vom Wind nach oben getragen und dann hinfort geweht.

 

Nun lagen dort weitere Freunde von ihm.

 

Kûosa lag, sich immer noch wehrend, geknebelt auf dem Boden. Neben ihm lagen die ebenfalls gefesselte Matra und auch Tsuru.

 

Ginta drehte sich um und sah seinen Freunden direkt in die Augen. Auch sie versuchten nach Hilfe zu rufen, doch man hörte ihre Stimmen nicht.

 

Gintas Knie wurden immer weicher und er zitterte.

 

Dann musste er beobachten, wie plötzlich eine weitere Person neben Matra auftauchte. Sie war jedoch eine Shal, das erkannte man an ihren Klamotten. Beim genaueren betrachten sah sie aus, wie die Frau, von der Matra als ihre beste Freundin gesprochen hatte.

 

Es war Uwanari.

 

Sie packte Tsuru und trug sie zur Maschine. Als sie an Ginta vorbeiging, erkannte er, dass Tsuru weinte.

 

Was passierte hier?

 

„Das kleine Mädchen wird uns helfen mit ihrer Kraft den Mond und die Erde endlich zu vereinen...“, erklärte Sora, „Da ihre Kraft allein aber nicht reicht, werden wir das Mondmädchen auch benutzen.“

 

Sora beugte sich hinunter zu Shiana, strich ihr noch einmal die Haare aus dem Gesicht und zerrte sie dann auch mit zu einem kleinen Käfig, in den gerade Shiana und Tsuru hineinpassten und schloss diesen.

 

„Das kannst du doch nicht machen!“, brüllte Ginta.

 

Er konnte nun nicht einfach nun mehr da stehen und zusehen, was passierte. In ihm brodelte die Wut und er spürte, wie eine warme, starke Kraft durch seinen Körper floss. Sein Amulett vibrierte stärker denn je.

 

Dann schnellte er nach vorne und stieß Uwanari mit einem Windstoß beiseite und fing dann Tsuru auf.

 

Bevor er jedoch Shiana aus den Händen Soras befreien konnte, wurde er von einer starken Druckwelle zurückgeschleudert.

 

 

 

Plötzlich stand ein Mann, in merkwürdigen Klamotten vor Ginta. Seine langen, weißen Haare waren glatt und streng nach hinten gekämmt. Er hatte leuchtend violette Augen, die ihn gebannt anstarrten. Er trug einen engen, schwarzen Anzug, der irgendwie gepanzert aussah. Der Ärmel seines Linken Armes war tiefschwarz und weit geschnitten. Der rechte Arm war nackt und man konnte die dicken Adern auf seinen Muskeln sehen. Verschiedene Riemen und Reißverschlüsse verzierten seine Kleidung. Auf seiner Brust trug er das Emblem der Shal. Sein Blick war starr und unheimlich.

 

Er streckte Ginta eine Hand entgegen und wollte ihm wohl aufhelfen.

 

Wer war dieser Typ? Ginta vertraute ihm nicht und stand von alleine wieder auf.

 

„Es tut mir Leid, dass sie so rüpelhaft zu dir waren, Ginta“, entschuldigte sich der Mann mit einem falschen Grinsen. „Aber wir werden die Welt erneuern, komme was wolle!“

 

Dann ging er zu Tsuru, die auf dem Boden lag, hob sie hoch und hielt sie in seinen Armen.

 

„Psst, beruhige dich“, flüsterte er, während er die weinende Tsuru übertrieben in seinen Armen schaukelte.

 

„Wer bist du schon wieder!?“, brüllte Ginta.

 

„Darf ich dir vorstellen...“, fing Sora an zu erzählen, „Das ist Xarmainion, der Kopf der Shal. Er hatte den grandiosen Plan gefasst, die Welt zu erneuern und sie von allem Schlechten zu befreien.“

 

„Lass Tsuru los!“, brüllte er und ging wütend auf Xarmainion zu. Doch Sora stellte sich ihm in den Weg.

 

Ginta blieb erschrocken stehen.

 

„Du kannst uns nicht aufhalten, Ginta“, meinte sie und grinste dabei wieder so krankhaft.

 

„Was wird hier überhaupt gespielt!?“, brüllte Ginta wieder, total aufgebracht und fertig mit den Nerven. „Sora, was machst du hier überhaupt!? Das bist nicht du! Du bist keine Böse die die Welt zerstören will, du bist Sora!“

 

Er packte sie an den Schultern.

 

„Hör auf damit, ich weiß, dass das nicht du bist!“, brüllte Ginta weiterhin. Die ersten Tränen kullerten über sein Gesicht. Er konnte das einfach nicht glauben, was sich vor seinen Augen abspielte. Niemals hätte er das erwartet.

 

„Was hast du Mistkerl mit Sora gemacht!?“

 

Xarmainion fuhr mit seiner linken Hand über Tsurus Augen. Plötzlich rührte sie sich nicht mehr und war still. Er legte das Mädchen zurück in den Käfig, in dem Shiana die ganze Zeit gesessen hatte.

 

„Ich habe nichts mit ihr gemacht“, lachte Xarmainion, „Ich habe lediglich ihre wahren Gefühle an die Oberfläche geholt.“

 

„Das sind nicht ihre wahren Gefühle, Sora ist nicht so!“, dann wandte er sich wieder Sora zu und blickte tief in ihre matten Augen. Noch nie zuvor hatte er sie so gesehen.

 

„Sora, hör mir doch zu, das bist nicht du!“, versuchte er sie irgendwie zu überreden.

 

„Ginta!“, schrie sie plötzlich auf und warf sich ihre Hände an Kopf, dann fiel sie auf ihre Knie.

 

„Ginta!“, wiederholte sie ihre Rufe.

 

Es wirkte fast so, als würden seine Worte tiefer in Sora eindringen und ihren richtigen Verstand wecken. In Ginta stiegen die Hoffnungen darauf, dass Sora wieder normal wurde. Doch er konnte sich gerade nicht nur um sie kümmern.

 

Währenddessen schickte Xarmainion Uwanari an die Maschine, die sie wieder in Gang setzte. Eine komische Aura schwebte nun über Shiana und Tsuru und die beiden wurden in einem milchigen Nebel umhüllt.

 

„Shiana, Tsuru!“, brüllte Ginta.

 

Was sollte er nun machen? Er musste die beiden retten, aber er konnte Sora auch nicht im Stich lassen.

 

Dann spürte er sein Amulett wieder vibrieren. Er nahm es ab und hängte es Sora um den Hals, die kauernd auf dem Boden lag. Vielleicht half ihr das ja, wieder zur Besinnung zu kommen.

 

Dann sprintete er zum Käfig, wurde dann aber von Xarmainion aufgehalten. Er bündelte all seine Kraft und stieß ihn mit einem Windstoß beiseite.

 

Seine Hände leuchteten wieder blau. Er griff an das Gitter, wurde zunächst von einer starken Energie zurück gedrängt, aber ließ dennoch nicht los. Mit aller Kraft versuchte er die Tür des Käfigs aufzubrechen.

 

Xarmainion stand währenddessen wieder auf, als wäre nichts geschehen und ging auf Ginta zu.

 

Gintas Herz pochte immer schneller. Er spürte die bedrohliche Kraft, die ihm immer näher kam.

 

„Versuche doch deine Freunde zu retten“, sprach Xarmainion, „Du wirst mich dennoch nicht aufhalten.“

 

„Shiana, Tsuru! Haltet noch ein wenig durch, ich werde euch gleich befreien“, rief Ginta durch den Lärm des tobenden Sturmes und der lauten Maschine.

 

Langsam wurde der milchige Nebel der die zwei Mädchen umgab immer dichter und Ginta konnte sie immer weniger wahrnehmen, als würden sie verschwinden.

 

Sein Herz pochte und ihn durchfloss eine endlos starke Energie. Er musste die zwei befreien, sonst würde die Welt untergehen.

 

Dann schien die Zeit etwas langsamer zu vergehen. Xarmainion stolzierte nun auf Ginta zu. Hatte er denn keine Panik, dass sein Plan durchkreuzt werden würde?

 

Auf einmal leuchteten Gintas Hände nicht mehr und seine Arme waren nunmehr in blauen Flammen umhüllt. Sein Genkioken wurde immer stärker.

 

Plötzlich war es viel einfacher, die Tür des Käfigs aufzukriegen. Die Tür brach ab und Ginta schleuderte sie sogleich Xarmainion entgegen, damit er ihm nicht so schnell zu nahe kam.

 

Ginta stürmte in den Käfig und zerrte Shiana und Tsuru mit nach draußen, sprang einige Meter weiter zurück und befreite sie von den finsteren Fesseln.

 

Tsuru kam mittlerweile wieder zu Bewusstsein und fing sofort das Weinen an. Shiana zuckte zuerst noch zusammen, als ein starker Schmerz durch ihren Körper fuhr.

 

„Wie geht es euch?“, erkundigte sich Ginta gleich.

 

„Ich... Ich will nicht mehr!“, brüllte Tsuru und sauste sogleich zu Kûosa und Matra. Sie versuchte mit aller Kraft Kûosas Fesseln zu lösen.

 

„Es funktioniert nicht!“, weinte sie und schabte weiter an dem dunklen Stoff herum, doch es tat sich nichts.

 

Shiana konnte nichts sagen, es fühlte sich komisch an, was mit ihr passiert war. Sie nickte nur und Ginta war froh, dass es ihr anscheinend nicht ganz so schlecht ging.

 

„So sollte das aber nicht ablaufen“, murmelte Xarmainion und massierte sich kurz die Schläfen. Er seufzte.

 

„Was sollen wir jetzt machen, Boss?“, erkundigte sich Uwanari.

 

„Mh, eine gute Frage“, antwortete er und ging auf Sora zu die immer noch kauernd auf dem Boden lag.

 

Er beugte sich zu ihr und nahm ihr erst das Amulett ab und warf es weit weg.

 

„Und du... ich dachte du wärst stärker“, sagte er enttäuscht und fuhr mit seiner Hand über ihren Kopf. Dunkler Nebel breitete sich aus seinen Fingerspitzen über ihren Kopf aus und umschloss diesen. Dann atmete Sora den dunklen Nebel ein und stand von allein wieder auf.

 

Ginta hatte mitbekommen, dass sich Xarmainion wieder um Sora kümmerte und schickte erst Shiana zu Matra und Kûosa, damit sie Tsuru helfen konnte, die beiden aus den Fesseln zu befreien.

 

Myu, die schon die ganze Zeit in der Nähe von Matra geblieben war, versuchte nun auch die beiden von den Fesseln zu lösen.

 

 

 

Nun stand Ginta seinem Erzfeind und seiner besten Freundin aus seiner Kindheit gegenüber. Sein Herz pochte schneller und heißer. Sein Atem wurde schwerer.

 

„Weißt du was? Lass uns doch zusammen die Welt erneuern und sie von allem Schlechten befreien... Du kannst danach ganz in Frieden leben. Ohne Stress, ohne Hass und ohne den Gedanken daran, dass deine Liebsten sterben“, schlug Xarmainion ihm vor.

 

„Niemals werde ich diese schöne Welt mit dir erneuern! Das einzige Schlechte, das es gibt, seid ihr! Ihr habt unschuldige Menschen verletzt, ihnen alles genommen und sie getötet! So etwas kann ich nicht durchgehen lassen!“, erwiderte Ginta.

 

„Diese Menschen hatten es nicht verdient weiterzuleben... Sie alle waren schlecht“, konterte Xarmainion. „Genauso wenig wie deine Eltern es verdient hatten.“

 

Seine Eltern. Plötzlich schossen Ginta einige Erinnerungen seiner Eltern durch den Kopf. Wie sehr er sie vermisste und wie sehr er doch gerne bei ihnen wäre.

 

Doch schnell fasste er wieder klare Gedanken und blickte Xarmainion wutentbrannt in die Augen. Jetzt war die Zeit gekommen, endlich seiner Rache zu folgen und die Shal zu zerschlagen.

 

„Das wirst du mir büßen“, drohte Ginta ihm und es schien, dass seine flammenden Arme noch mehr an Energie gewannen.

 

Dann rannte Ginta seinem Feind entgegen.

 

Kapitel 83 – Gintas Wille

 

 

 

Der Wind wurde stärker. Mehr und mehr Erdbrocken lösten sich vom Boden und schwebten dem immer näher kommenden Mond entgegen. Die Blitze schlugen nun heftiger und häufiger auf die Erde ein und verwüsteten die Gegend.

 

Tsuru kratzte immer mehr an den Fesseln, die ihren Hasenbären fest umschlangen. Shiana versuchte ebenfalls irgendwie Matra von den Fesseln zu befreien. Doch bevor sie irgendetwas erreichen konnte, stand schon Sora vor ihr. Ihr Blick wirkte so leer, als wäre sie nur noch ein Gefäß, das von etwas anderem gesteuert wurde.

 

Ginta kämpfte mittlerweile mit Xarmainion und die beiden tauschten einige Schläge miteinander aus. Sie sprangen aufeinander zu und schlugen und traten sich. Windstöße schleuderten Xarmainion nach hinten und dann konterte er Gintas Attacken mit finsteren Energiebällen. Ginta versuchte so gut wie möglich auszuweichen, steckte jedoch aber auch einige Treffer ein.

 

Sora kam Shiana immer näher. Das blauhaarige Mädchen stand auf und ging einige Schritte zurück. Doch plötzlich schnellte Sora nach vorne und packte Shiana am Hals. Mit einer übermenschlichen Kraft zog sie Shiana in die Höhe. Shiana krallte sich mit ihren Händen an Soras Arm fest und strampelte etwas umher um sich zu befreien.

 

„Shiana nein!“, brüllte Tsuru und versuchte Sora umzustoßen. Doch ihr Versuch misslang.

 

Mit ihrer anderen Hand packte Sora nun auch Tsuru und hob beide Mädchen in die Luft.

 

Ginta hatte derweil schwer mit Xarmainions Angriffen zu kämpfen. Immer wieder hämmerte er auf Ginta mit seinen Fäusten ein. Die Schläge schmerzten sehr.

 

Als Xarmainion Ginta dann einen starken Tritt verpasste und sein rechtes Bein traf, taumelte Ginta etwas umher. Der Schmerz zog sich bis zu seiner Brust hinauf.

 

Doch der Shalboss führte immer wieder seine Angriffe fort und Ginta, dem es zu schwer war auszuweichen, musste diese Angriffe einstecken. Mit einem Tritt gegen seinen Kopf, wurde Ginta einige Meter weit durch die Luft auf den Boden geschleudert.

 

Ginta richtete sich auf und fuhr mit seiner Hand über seinen Mund. Er blutete.

 

Die violetten Augen Xarmainions leuchteten auf. Dann stieß er seine Arme nach vorne und feuerte einige schwarze Energiekugeln auf Ginta.

 

Staub wirbelte auf und wurde im selben Moment von einem Wirbelsturm davongetragen. Gintas Arme loderten in einem starken, leuchtenden Feuer, welches den Raum um ihn herum erhellte. Dann zog er seine Arme zurück und schob sie sogleich nach vorne, als wollte er etwas anschieben. Genau dann, als er seine Arme ausgestreckt hatte, fuhr eine gewaltige Luftmasse auf seinen Gegner nieder, die ihn versuchte wegzudrücken.

 

Jetzt zog Ginta seine Waffe und zog sie hinter sich über den Boden. Kurz bevor er bei Xarmainion stand, riss er sein Kesobou nach vorne und verpasste ihm einen starken Treffer, der erst von seinen Beinen aus, dann über seinen Brust und über seinen Kopf fuhr.

 

Xarmainion ging zu Boden. Seine Kleidung war zerrissen und seine Wunden waren offen. Komischerweise bluteten sie nicht und schlossen sich langsam wieder.

 

Was war das nur für ein Typ? Kurz blieb Ginta verwundert stehen und starrte auf seinen Feind.

 

 

 

Dunkler Nebel stieg plötzlich aus dem Bereich, um Soras Herz herum und kroch langsam an ihren Armen nach oben. Bald würde der Nebel Shiana und Tsuru gefangen nehmen.

 

Die Mädchen versuchten sich immer noch mit aller Kraft zu wehren, aber ihre Versuche waren erfolglos. Als der Nebel allmählich Tsuru erreicht, versetzte es sie wieder in einen dämmernden, bewusstlosen Zustand. Im selben Moment ließ Sora sie fallen. Matra und Kûosa mussten zusehen, was mit Tsuru geschah. Man hörte von ihnen nur ein dumpfes Schreien. Sie konnten sich nicht befreien.

 

Als der Nebel dann Shiana näherkam und sie fast berührte, geschah etwas Unglaubliches.

 

Auf einmal verflüchtigte sich der Nebel und ein strahlendes Licht ging von Shiana aus. Soras Hand dampfte zunächst und wurde dann so heiß, dass sie vor Schmerzen Shiana ebenfalls los ließ, sodass sie zu Boden fiel.

 

Das Licht umhüllte Shiana. Dann ging sie auf Sora zu und berührte ihre Brust. Shiana schloss kurz ihre Augen, dann wurde Sora mit einem Lichtstrahl einige Meter weit zurück geschleudert und lag auf dem Boden.

 

Sora fasste sich an ihre Brust und rief wieder nach Ginta, der sich kurz ablenken ließ.

 

 

 

So kassierte Ginta einen weiteren Schlag, der ihn zu Boden brachte. Seine Waffe flog davon.

 

Doch bevor er wieder aufstehen konnte, packte Xarmainion sein Bein, hob ihn hoch und warf ihn wieder auf den Boden. Dies wiederholte er einige Male, bis Ginta vor Schmerzen nicht mehr aufstehen konnte.

 

Shiana befreite Matra und Kûosa schnell von ihren Fesseln. Durch das starke Licht lösten sich die Fesseln fast von selbst auf.

 

Dann kümmerte sie sich noch kurz um Tsuru, die immer noch bewusstlos auf dem Boden lag und versuchte, mithilfe ihres Lichtes den dunklen Nebel in ihrem Inneren zu befreien.

 

Langsam kam Tsuru wieder zu sich. Sie sah Shiana lächelnd an und ging dann zu Kûosa, nachdem sie merkte, dass er sich von den Fesseln gelöst hatte und sich aufrichtete.

 

Matra fühlte sich schwach, wollte aber wieder aufstehen. Sie hatte nur eines im Blick: Uwanari davon abzuhalten weiter die Maschine zu betätigen. Langsam torkelte sie in Richtung Maschine, geschützt durch die Dunkelheit baute sie darauf Uwanari überraschen zu können.

 

 

 

Xarmainion ging langsam auf Ginta zu. Dann stellte er sich vor ihn.

 

„Das war es jetzt, Ginta...“, murmelte er und streckte eine Hand aus, vor der sich nun eine schwarze Energiekugel bildete.

 

Gintas Körper pochte vor Schmerz. War es jetzt sein Ende? Doch bevor er die Augen schloss um sich einen kurzen Moment der Ruhe zu gönnen, passierte plötzlich etwas, das er nie erwartet hätte. Myu sprang auf Xarmainion und zerkratzte ihm das Gesicht, wodurch er so abgelenkt war, dass er den Energieball aus Versehen woanders hin schoss. Die Energiekugel hätte Uwanari getroffen, wäre Matra in dem Augenblick nicht zu schnell gewesen und hätte sie von dem Sitz vor der Maschine gestoßen.

 

Die Energiekugel streifte ihren Rücken und brannte eine starke Wunde darauf. Dann lag sie über Uwanari auf dem Boden, kaum in der Lage vor Schmerz etwas zu sagen.

 

„Was sollte das!?“, brüllte Uwanari.

 

„Ich will dich zurück ins Dorf bringen...“, brachte Matra stockend aus sich heraus. Uwanari war sichtlich geschockt darüber, dass Matra sie vor diesem Angriff gerettet hatte.

 

Xarmainion packte Myu und warf sie so weit er konnte. Doch Myu landete nicht auf dem Boden, sondern wurde sanft von Ryoma aufgefangen.

 

„Na du? Ich dachte immer nur, du wärst scharf darauf, mein Gesicht zu zerkratzen“, lachte Ryoma und setzte Myu auf den Boden.

 

Auch Oto, Ama, Sayoko, Jumon und Denji waren nun endlich auf dem Dach angekommen.

 

Oto und Sayoko stürmten gleich zu Ginta um zu sehen, was mit ihm war. Denji, Ryoma und Ama zogen ihre Waffen und stürzten sich gleich auf Xarmainion, um ihn davon abzuhalten, weitere Angriffe zu starten. Jumon sah nach Tsuru und Kûosa, denen es anscheinend noch relativ gut ging.

 

„Leute... da seid ihr ja endlich!“, freute sich Ginta, während Oto so schnell es ging seine Wunden versorgte.

 

„Wir haben doch gesagt, dass wir noch nach kommen werden“, grinste Sayoko ihn an.

 

Sie hatte sich wirklich Sorgen gemacht, doch endlich war sie hier um nach Ginta zu sehen. Zu sehen, wie Oto und Sayoko lächelten, machte Ginta glücklich. Es gab ihm das Gefühl doch nicht allein zu sein und er spürte plötzlich noch mehr Kraft in sich.

 

 

 

„Jetzt reicht es mir!“, brüllte Xarmainion als er den Angriffen von Ryoma, Ama und Denji geschickt auswich.

 

Er kauerte sich zusammen, schwebte kurz über den Boden und streckte sich dann explosionsartig wieder nach Außen. Ryoma und Ama wurden als erstes von einer finsteren Druckwelle getroffen und schwebten langsam bewusstlos zu Boden. Denji wurde danach getroffen und bald folgten auch Oto und Sayoko, wie auch Tsuru, Jumon, Kûosa. Langsam glitten sie alle zu Boden und rührten sich nicht mehr.

 

Matra wurde zwar getroffen, konnte dem Angriff aber Stand halten und hielt Uwanari immer noch auf dem Boden fest. Sie sprach mit ihr und versuchte sie irgendwie wieder zu Besinnung zu bringen, auch wenn es bisher noch nicht wirklich klappte. Uwanari wollte sich wehren, war aber momentan schwächer als Matra.

 

Shiana, die immer noch von diesem Licht umhüllt war, schadete der Angriff ebenfalls nicht. Sie merkte aber, wie Sora sich wieder aufrichtete, als hätten sich ihre Energiereserven aufgefrischt. Sora stürzte sich sogleich wieder auf Shiana und beschoss sie mit schwarzen Strahlen.

 

Shiana schütze sich in dem sie versuchte ein Schild aus Licht aufzubauen. Als sie eine Öffnung in Soras Angriffen sah, schoss sie Pfeile aus Licht auf ihre Gegnerin.

 

Xarmainion fuhr sich durch die Haare. Er seufzte wieder und kam Ginta näher, der verzweifelt versuchte Oto und Sayoko wieder aufzuwecken.

 

„Was hast du mit meinen Freunden angestellt!?“, brüllte er wütend.

 

„Sie schlafen nur, bisher... Bald werden sie nicht mehr da sein“, grinste Xarmainion und blickte Ginta dann schlagartig böse an.

 

Er holte aus und verpasste Ginta wieder einen Schlag, sodass er einige Meter weit flog.

 

Doch Ginta richtete sich so schnell es ging wieder auf. In seinem Inneren wirbelten die Energien wie ein nicht enden wollender Sturm umher. Die Wut, die er verspürte, während er seine Freunde auf dem Boden liegen sah, brachten seine letzten Energiereserven hervor.

 

Shiana kämpfte immer noch hart gegen Sora, die nun völlig ihren Verstand verloren hatte. Die Angriffe, die Shiana einstecken musste, wurden immer stärker und selbst schaffte sie es kaum mehr Sora mit ihren eigenen Attacken zu treffen.

 

Als sie sich dann jedoch konzentrierte, schaffte sie es etwas ihrer Energie vor sich zu fokussieren. Es sollte ein mächtiger Lichtball werden, der Sora endgültig ausschalten sollte. Als Shiana dann den Lichtball von sich wegschleuderte, traf er Sora jedoch nur knapp und der Lichtball flog weiter und traf jemand ganz anderen.

 

 

 

Ginta, dessen Arme wieder mit blauen Flammen umhüllt waren, bekam plötzlich Shianas Lichtball ab. Seine Flammen, die Energie die er so ausstrahlte, breitete sich nun über seinen ganzen Körper aus. Es schien, als würde Ginta verbrennen. Aber er tat es nicht. Es war nur die Energie, die er kaum mehr kontrollieren konnte. Ginta wankte auf Xarmainion zu. Er fühlte so vieles in diesem Moment. Angst und Trauer um seine Freunde, Wut und Hass über die Taten der Shal, aber auch Mut und Hoffnung auf eine bessere Zukunft.

 

Wie als wäre er in Trance, richtete er seine Arme nach vorne und schleuderte einen blau entflammten Wirbelsturm auf Xarmainion, der ihn in die Luft hob.

 

Ginta sprang Xarmainion hinterher und schien für einen kurzen Moment zu schweben, als er ihm tausend Schläge und Tritte verpasste. Dann sauste Xarmainions Körper wieder gen Boden und Ginta folgte ihm so schnell er konnte, nur damit er ihm wieder einen mächtigen Schlag verpassen konnte. Dann packte Ginta den Boss der Shal am Kragen und hob ihn in die Luft.

 

„Du bist stärker, als ich dachte“, sprach Xarmainion, aber seine Worte kamen nicht mehr bei Ginta an. Er war auf einmal so stark weggetreten, dass er nichts mehr davon mitbekam, was passierte.

 

„Aber der Mond ist der Erde schon so nahe... wenn ich ihn nicht mehr mit ihm vereinigen kann, werden sie zumindest kollidieren und die Erde wird zerstört!“, lachte Xarmainion und spuckte dann Blut.

 

Ginta hob die andere Hand und richtete sie auf die Maschine. Mit einem leuchtenden Strahl zerstörte er die Maschine augenblicklich.

 

„Auch wenn du die Maschine zerstörst, wird die Welt untergehen... das war es dann...“, sprach Xarmainion, doch bevor er seine letzten Worte sagen konnte, drückte Ginta ihm die freie Hand auf den Bauch und feuerte einen enorm starken Energiestrahl ab.  Als durch die enorme Kraft Xarmainion sich in Luft auflöste, erloschen die Flammen die Gintas Körper umhüllten und er fiel ohnmächtig zu Boden.

 

Shiana schaffte es derweil nun, Sora ruhig zu stellen, nachdem die finsteren Mächte Xarmainions nachließen.  Gintas Freunde, die von dieser dunklen Aura umgeben waren, wurden wieder normal und kamen langsam zu sich.

 

Shiana ging nun auf Ginta zu und kniete sich vor ihn. Sie starrte in den Himmel hinauf und betrachtete den Mond, der gleich mit der Erde zu kollidieren schien.

 

Ein letztes, hell leuchtendes Licht erstrahlte plötzlich.

 

 

Kapitel 84 – Der Traum

 

 

 

Es war kühl. Eine sanfte Brise strich über seine Arme. Plötzlich merkte er, wie etwas Weiches auf seinem Arm landete. Verschlafen öffnete er seine Augen und entdeckte, dass ein Blütenblatt durch das Fenster auf ihm gelandet war. Doch er war so müde. Also schloss er wieder seine Augen um etwas zu dösen, so müde war er.

 

„Was machst du denn da, Ginta!?“, riss ihn plötzlich eine laute Stimme aus dem Schlaf.

 

Er erschrak und schnellte nach oben. Verschlafen sah er seine Lehrerin an.

 

„Im Unterricht schläft man nicht... Du wirst erst einmal nach dem Unterricht das Klassenzimmer säubern! So, wer kann mir die Frage beantworten...“

 

Ginta hörte seiner Lehrerin nicht weiter zu. War er eingeschlafen im Unterricht? Und was war das für ein komischer Traum gewesen, den er hatte? Er konnte sich nur kaum an die Einzelheiten erinnern.

 

„Soll ich nach dem Unterricht etwas bleiben und dir helfen?“, sprach plötzlich ein Mädchen zu ihm. Als er rechts neben sich sah, saß dort Sora, seine Freundin seit Kindertagen.

 

„Mh... ja...“, brachte er nur aus sich heraus. Irgendwie fühlte sich Ginta gerade komisch.

 

„Gut, aber vergiss nicht, dass du noch einkaufen solltest, weil ihr heute Besuch bekommt...“, meinte Sora, wurde dann jedoch von der Lehrerin erwischt, als sie sich unterhielt und musste dann als Strafe ebenfalls nach dem Unterricht das Klassenzimmer säubern. Traf sich ja gut.

 

Als der Unterricht dann vorbei war, blieben Ginta und Sora noch, um das Klassenzimmer zu säubern.

 

„Du hast gesagt, ich kriege heute Besuch?“, wunderte sich Ginta.

 

„Ja, du hast mir doch heute Morgen erzählt, dass deine Großmutter und du heute Besuch von Freunden bekommt und du deswegen noch einkaufen solltest“, erklärte Sora, während sie den Boden fegte.

 

„Ach stimmt...“, gab Ginta nur von sich. Er erinnerte sich wieder. Seine Großmutter hatte heute zwei Freunde zu ihnen eingeladen und er sollte noch etwas fürs Abendessen besorgen.

 

Er hielt kurz inne und legte den Schwamm, mit dem er gerade die Tafel säuberte, beiseite. Dann griff er in seine Hosentasche und nahm einen Zettel daraus heraus und las sich kurz die Dinge durch, die er noch besorgen sollte.

 

Nachdem Ginta und Sora das Klassenzimmer gesäubert hatten, konnten sie endlich gehen. Sie spazierten in Richtung Stadtmitte, trennten sich dann aber bei einer Kreuzung. Als Sora sich von ihm verabschiedete, kam in Ginta plötzlich ein so komisches Gefühl hoch.

 

Doch er kümmerte sich nicht weiter darüber, nahm noch einmal den Zettel heraus und machte sich dann auf um die Sachen, die er brauchte, in der Marktstraße Kueteikas einzukaufen.

 

Es war alles wie gewohnt. Einige Leute, die ihn kannten, begrüßten ihn, sprachen kurz mit ihm, erkundigten wie es seiner Großmutter ginge und verschwanden dann wieder.

 

Seine Großmutter… er sollte sich lieber beeilen, bevor er noch Ärger von ihr bekam.

 

 

 

Als er endlich alles hatte und sich auf den Heimweg machen konnte, blieb er doch noch kurz stehen und sah der untergehenden Sonne zu. Es war so schön wie das Licht den Himmel in ein knalliges Rot und ein dunkles Lila tauchte. Er atmete tief ein und aus. Er genoss die kühle Luft und den Wind. Dann ging er los und spazierte die Marktstraße entlang, in die Richtung, in der sein Zuhause lag. Bevor er jedoch der Hauptstraße folgte, hielt ihn etwas auf. Hatte er etwas vergessen?

 

Ginta sah sich um und entdeckte plötzlich eine kleine Gasse, die er noch nie zuvor gesehen hatte. Es war eine kleine, dreckige Gasse zwischen zwei Häusern, in die nicht wirklich Licht hinein drang. Es kam ihm komisch vor, denn so eine merkwürdige Gasse hätte ihm doch vorher schon einmal auffallen sollen. Er folgte ihr eine Weile, bis er dann an einer Wand angekommen war. Eine Sackgasse also. Er sah sich um. Außer ein paar Mülltonnen war hier nichts. Er drehte sich um und wollte wieder zurückgehen, als er plötzlich eine Kette auf dem Boden sah. Er kniete sich hin und hob die Kette auf. Ein schmutziger Anhänger hing daran. Er wischte den Dreck an seiner Hose ab und sah sich die Kette genauer an. Ein schöner, türkisfarbener Stein hing daran. Er steckte die Kette ein, vielleicht konnte man sie ja noch besser säubern und behalten.

 

 

 

So ging Ginta also weiter auf den Weg nach Hause und lief der fast verschwundenen Sonne entgegen. Bald kam er an die Straße, in der er wohnte. Eine kleine Auffahrt brachte ihn nach oben. Der Hof war gefegt. Seine Großmutter hatte heute Nachmittag wohl gearbeitet.

 

Er warf einen Blick zum Tempel, neben dem er wohnte. Kein Licht brannte, also war seine Großmutter wohl Zuhause. Er sperrte auf und ging in die Küche.

 

„Da bist du ja endlich, wo warst du denn so lange?“, begrüßte ihn seine Großmutter.

 

„Hallo. Ich... ich hatte noch etwas in der Schule zu erledigen und das Einkaufen hat halt etwas länger gebraucht... Tschuldige“, erklärte Ginta und stellte die Einkäufe auf den Tisch.

 

Er sah sich um. Alles war wie gewohnt. Die Töpfe waren in den Schränken, benutzte Tücher hingen unter der Spüle und seine Großmutter hatte natürlich mal wieder eine Kerze angezündet. Doch irgendetwas war anders als sonst. Es fühlte sich komisch an, vor seiner Großmutter zu stehen, die gerade dabei war, die Einkäufe auszupacken.

 

„Du könntest mir ruhig helfen“, beschwerte sie sich.

 

„Oh, ja...“, meinte Ginta nur und machte sich dann daran, die Einkäufe in den Kühlschrank zu packen.

 

„Wie war denn dein Tag?“, erkundigte sich seine Großmutter.

 

„Ach, ganz normal eigentlich“, sprach Ginta und merkte dann jedoch wie eigenartig seine Worte klangen. „Ich bin heute nur etwas müde...“

 

„Müde? Ach Junge, dann setzt dich doch auf das Sofa, unsere Gäste sind auch schon da...“

 

„Sie sind schon da? Oh... dann werde ich ihnen gleich Hallo sagen.“

 

Ginta packte das letzte Teil, was er in der Hand hatte, noch in den Schrank und dann ging er ins Wohnzimmer. Er sah zwei Personen auf dem Sofa sitzen, vor dem Tisch. Sie tranken Tee. Er ging an ihnen vorbei ohne sie gleich anzusehen und setzte sich gegenüber von ihnen auf das andere Sofa.

 

„Guten Tag...“, begrüßte er die Zwei während er sich hinsetzte und seinen Blick dann langsam zu ihnen schweifen ließ.

 

„Wir wünschen dir auch einen schönen Tag, Ginta“, begrüßte ihn eine Frau, deren langes, rotes Haar im Licht der Kerze die auf dem Tisch stand, leuchtete.

 

„Schön dich mal wieder zu sehen“, grüßte ihn ein Herr mit weißen Haaren. Er hatte kleine, graue Bartstoppeln. Hatte sich heute wohl nicht rasiert.

 

Ein eigenartiges Gefühl machte sich zwischen Magen und Brust in Ginta breit. Er kniff die Augen einmal zu. Obwohl das Zimmer hell beleuchtet war, war es schwer, die Personen gleich zu erkennen. Dann schluckte er.

 

„Mutter... Vater...? Seid ihr das?“, erkannte er und stotterte. Plötzlich wurde sein Atem schneller und sein Herz schlug lauter.

 

„Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen“, lächelte seine Mutter. Es fühlte sich so warm an, sie so zu sehen.

 

„Du bist groß geworden“, meinte sein Vater stolz.

 

„Ihr seid gar nicht tot?“, wunderte Ginta sich.

 

Seine Großmutter kam nun ins Wohnzimmer und setzte eine weitere Tasse Tee auf den Tisch.

 

„Großmutter, du lebst auch...“, wurde ihm langsam klar.

 

Dann fuhren plötzlich tausend Bilder durch den Kopf.

 

Er sah einen Schwertkämpfer, ein blondes Mädchen, einen Jungen der mit Geistern sprach, eine schwarze Katze, eine Frau, mit langen rosa Haaren. Dann sah er, wie ein kleines Mädchen mit grünen Haaren auf die Schultern eines Monsters stieg und wie eine Frau mit schwarzen Haaren ihn brummig ansah. Er sah einen Typen, der immerzu lächelte und einen anderen Kerl, der das blonde Mädchen in den Arm nahm. Zuletzt sah er ein Mädchen mit blauen Haaren, das im Mondschein auf einer Wiese saß. Er sah sich selbst, wie er mit dem Mädchen redete.

 

„Shiana“, stammelte er vor sich hin.

 

„Wir sind so stolz auf dich, Ginta“, meinte seine Mutter.

 

„Aber ich glaube, es ist Zeit für dich zu gehen“, sagte sein Vater streng.

 

„Das hier...“, fing seine Großmutter an, „Ist nicht der richtige Ort für dich...“

 

„Aber... aber was ist... was ist hier los!?“, verwundert stand Ginta auf.

 

Nun sah er plötzlich noch mehr Bilder vor seinem inneren Auge. Langsam löste sich seine Umgebung auf, wie es auch die drei Personen taten, die vor ihm saßen.

 

„Wir haben dich lieb...“, war das letzte, was er hörte, dann verschwand alles um ihn herum.

 

 

 

„Shiana...“, stammelte er wieder vor sich hin. Er sah immer mehr Bilder, bis er sich erinnerte, was alles geschehen war.

 

„Ich muss zurück!“, brüllte er in die weiße Leere hinaus, die ihn umgab. „Ich muss zurück zu meinen Freunden und sie vor den Shal beschützen! Ich muss zurück!“

 

Je mehr er sich an seine Freunde erinnerte, desto mehr vergaß er, was er gerade erlebte. Die Stimmen seiner Eltern verblassten immer mehr.

 

„Ich muss zurück zu Shiana...“, flüsterte er, dann schlief er auf einmal ein und trieb durch die weiße Leere.

 

 

 

„Shiana!“, rief Ginta laut und schnellte noch einmal nach oben.

 

Sein Herz schlug so laut, dass er seinen schweren Atem kaum hörte. Sein Blick war zunächst unscharf, doch dann konnte er erkennen wo er sich befand. Anscheinend lag er unter einem blauen, wolkenlosen Himmel. Über ihn beugten sich einige Personen.

 

„Endlich ist er wieder wach!“, freute sich eine weibliche Stimme.

 

„Ich dachte schon, er macht es gar nicht mehr“, sorgte sich eine andere Stimme.

 

„Aber unser Ginta überlebt doch alles“, lachte jemand anderes.

 

Die Stimmen kamen ihm so bekannt vor. Dann erkannte er die Leute um sich herum. Oto, Ama, Ryoma, Jumon, Sayoko, Tsuru, Kûosa, Matra und Denji saßen neben ihm und lachten und weinten zugleich, als sie bemerkten, dass er wieder bei Bewusstsein war.

 

Stürmisch umarmte ihn Oto und darauf folgten Tsuru, Sayoko und Denji. Ryoma und Ama klopften ihm nur auf die Schulter, während ihn Jumon, Kûosa und Matra nur liebevoll anlächelten.

 

„Es ist vorbei, mein Freund“, verkündete Ryoma stolz.

 

„Die Welt ist gerettet“, versuchte es Oto zu sagen, ohne zu weinen, doch die Tränen kullerten schon über ihr Gesicht.

 

„Wir... haben es geschafft?“, stöhnte Ginta leise.

 

Die Sonnenstrahlen kitzelten seine Wange. Die Wärme seiner Freunde gab ihm Kraft. Anscheinend war alles vorbei.

 

„Was ist passiert?“, wunderte er sich.

 

„Das wissen wir nicht genau“, meinte Jumon. „Aber anscheinend habt ihr die Welt gerettet.“

 

„Was meinst du mit wir?“, fragte Ginta und überlegte ein wenig. Dann fiel es ihm ein. „Wo ist Shiana?“

 

Er richtete sich weiter auf und erkannte, dass sie nicht mehr auf dem Dach waren. Doch Shiana konnte er nirgends entdecken.

 

„Ist sie einen Spaziergang machen?“, wunderte er sich.

 

Seine Freunde sahen bedrückt zu Boden oder zur Seite.

 

„Sagt mir doch, wo ist sie?“, wiederholte Ginta.

 

„Ginta... es ist so...“, erklärte Sayoko, deren Trauer man durch ihre Stimme heraushören konnte. „Anscheinend hat sie den Kampf nicht überlebt...“

 

„Ich habe gesehen“, fuhr Matra fort, „Wie sie plötzlich leuchtete. Was dann passiert ist, kann ich dir nicht genau sagen, aber es schien so, als würde der Mond sich langsam wieder von der Erde wegbewegen... Dann bin ich leider ohnmächtig geworden...“

 

„Was... Aber... Das kann nicht sein! Shiana war doch so stark und hat mir geholfen... und... das kann nicht sein!“, seine Stimme wurde immer lauter, wurde dann jedoch vom ersten Schwall seiner Tränen verschluckt.

 

Ginta stand auf und sah verwirrt um sich. „Das ist doch nur ein Scherz! Sie ist hier irgendwo, richtig!?“

 

„Ginta...“, sagte Sayoko bevor stumme Tränen über ihre Wange hinabliefen.

 

„Setz dich...“, sprach Ryoma und zog ihn wieder zu sich auf den Boden.

 

Ginta ließ sich auf seine Knie fallen. Keiner der Freunde vermochte noch etwas zu sagen. Still saßen sie eine Weile da, um zu trauern.

 

 

 

Später stand Ginta etwas abseits von seinen Freunden auf der Wiese und starrte nachdenklich in den Himmel. Er dachte noch einmal über all das nach, was geschehen war. Er dachte über Shiana nach. Warum musste sie nur verschwinden? Es hätte doch sicherlich auch einen anderen Ausweg gegeben! Die Wut, die er in sich spürte, wurde nur durch die Trauer übermalt, die sich an seinem Herzen fest krallte. Er mochte Shiana doch so gerne. Warum musste es sie sein? Am liebsten wäre er nun gern aufgestanden und hätte in den Himmel hinaus gebrüllt, aber ein komisches Gefühl hielt ihn davon ab. Er schloss die Augen und lauschte dem Wind.

 

Es war Shiana, die ihn vor seinem inneren Auge anlächelte. Dieses Bild wollte er sich wahren, bis in die Ewigkeit. Tränen flossen erneut sein Gesicht herab. Was war mit ihr geschehen? Hatte sie sich geopfert, um die Welt zu retten? Ein dumpfes Gefühl ging durch seinen Körper, als er sich an das warme Licht erinnerte, dass sie von sich gab. Warum hatte er sie nicht beschützen können? Hatte sie jemals seinen Schutz gebraucht? Ob sie jemals wieder kommen würde? Ginta wusste keine Antworten.

 

 

 

„Miau", machte es, als eine schwarze Katze aus dem Busch sprang.

 

„Myu...“, Ginta sah auf und sah die Katze der Gruppe näher kommen.

 

Er stand auf um Myu in Empfang zu nehmen. Doch die Katze wich zurück, als er näher kam.

 

„Myu, was ist denn mit dir los?“

 

„Miau“, mauzte sie.

 

„Kennst du mich gar nicht mehr?“, fragte Ginta und hockte sich auf den Boden, dann streckte er eine Hand aus, sodass Myu an der Hand schnuppern konnte.

 

„Myu...“, murmelte Jumon leise und konzentrierte sich. Was war mit Gaaras Seele passiert?

 

Anscheinend sah er in der Katze keinen anderen Geist als den einer Katze. War Gaara verschwunden?

 

Das Gebüsch raschelte wieder und auf einmal kam Sora, in ihrer Schuluniform heraus und stand verwundert da, als sie Ginta sah.

 

„Ginta, was machst du denn hier?“, begrüßte sie ihn verwundert.

 

„Sora!“, stieß es aus ihm heraus und er stand auf um sie zu begrüßen. „Anscheinend ist dir nichts passiert!“

 

Doch im selben Moment, als er dies sagte, schweiften seine Gedanken wieder zu Shiana.

 

„Wo bin ich hier eigentlich?“, wunderte sich Sora. „Ich war doch erst Zuhause und habe überlegt, dich suchen zu gehen und jetzt habe ich dich schon gefunden?“

 

„Oh, das ist wohl eine lange Geschichte, die ich dir lieber ein andermal erzählen werde...“, meinte Ginta nur und sah Myu zu, wie sie sich langsam zur Gruppe bewegte.

 

Vorsichtig tapste sie an allen vorbei und benahm sich so, als würde sie keinen der Freunde wieder erkennen.

 

'Dann bist du wohl wieder eine normale Katze', dachte sich Jumon und sprach dann zu den anderen: „Anscheinend hat sie uns vergessen. Vielleicht hatte sie den Kampf nicht ohne Schäden überstanden. Körperlich scheint es ihr ja gut zu gehen. Es ist wohl besser, wir lassen sie laufen.“

 

„Scheint wirklich so“, wunderte sich Oto, als sie versuchte Myu zu streicheln, sie jedoch ängstlich zurückwich.

 

„Komische Katze...“, meinte Ryoma nur und lachte dabei. Doch in dem Augenblick sprang Myu auf Ryomas Gesicht und fuhr ihre Krallen aus. Dann kratzte sie wild darauf los. Ryoma hatte wild damit zu kämpfen, die Katze aus seinem Gesicht zu bekommen. Er schaffte es dann jedoch die Katze zu packen und von sich wegzustoßen. Sie rannte hinaus in die Wildnis.

 

„Autsch...“, brummte Ryoma nur, der in dem Moment froh war, dass die Katze endlich weg war.

 

Die Freunde lachten und verabschiedeten sich in Gedanken von der kleinen Katze.

 

 

 

„Dann können wir uns endlich auf den Weg nach Hause machen“, erkannte Matra und stand auf. Sie klopfte noch den Dreck von ihrer Hose.

 

„Nach Hause“, murmelte Ginta.

 

Die anderen wurden kurz still. Sie dachten alle über das bisher Geschehene nach. Welche Abenteuer sie doch zusammen erlebt hatten. Jetzt war alles vorbei?

 

„Was war denn jetzt mit Uwanari?“, fragte Ginta neugierig.

 

„Sie und ich waren die ersten, die aufgewacht sind“, erklärte Matra. „Wir haben geredet und... Sie hat sich schon auf den Weg nach Hause gemacht, zusammen mit unserem Heiligtum. Ich sollte mich beeilen, wenn ich sie einholen möchte.“

 

„Ihr versteht euch wieder?“

 

Matra nickte.

 

„Das ist toll“, freute sich Ginta. „Und was wurde denn aus Riven Kire und den Vastus Antishal?“

 

„Wir haben sie seither nicht mehr gesehen“, antwortete Ryoma. „Vielleicht sind sie nun auch auf dem Heimweg.“

 

„Wird wohl so sein...“

 

Das war das Startzeichen für die Heimreise. Zusammen machten sie sich auf den letzten Weg. Ginta erklärte Sora die ganze Situation, die erst geschockt über die Geschichten war und dann froh darüber, dass nun alles wieder seinen normalen Verlauf ging. Die Freunde trösteten sich gegenseitig über ihre Verluste, allem voran Ginta, der Shiana verloren hatte. Für Ginta war dieser Weg schwer. Ständig hatte er dieses eigenartige, freie Gefühl in sich getragen, von dem er einfach nicht wusste, was es bedeuten sollte.

 

 

 

Zuerst verabschiedeten sich die Freunde von Denji, der wieder zurück in seine Heimatstadt ging. Er war ziemlich glücklich darüber, so ein tolles Abenteuer erleben zu dürfen, doch für den Moment reichte es dem abenteuerlustigen Denji mit den Kämpfen und all dem Kram. Zuhause angekommen, war die erste Person, die er begrüßte sein bester Freund Nacho. Sie freuten sich, sich unversehrt wiederzusehen. Denji nahm sich alle Zeit für seinen Freund, ihm die verrückten Geschichten seiner Reise zu erklären. Natürlich übertrieb Denji ab und an, um die Wichtigkeit seiner Taten zu erklären. Als er erzählte, was sie im Freizeitpark und auf dem Flug zurück erlebt hatten, kam in ihm wieder das Gefühl auf, dorthin zu müssen und lud Nacho dazu ein.

 

 

 

Als nächste verabschiedete sich Matra von den Freunden und so kehrte sie zufrieden zurück in ihr Dorf, in dem Uwanari mit dem zurückgebrachten Heiligtum auf sie wartete. Matra erfüllte die Erwartungen ihres Dorfes und bekam im Tempel bald eine hohe Stellung. Insgeheim wusste sie aber, dass die Reise, die sie ursprünglich antrat, auch ihre anderen Vorzüge hatten. Sie hatte in der kurzen Zeit nun neue Freunde kennengelernt. Sie wollte es nie zugeben, weil sie zu stolz dafür war, aber sie mochte Ginta und die anderen sehr.

 

 

 

Bald auch verabschiedeten sich Oto und Ama von den Freunden. Sie wollten unbedingt wieder zurück ins Med-Dorf gehen, damit Oto dort ihren größten Wunsch erfüllen konnte. Für die Rettung der Welt hatte sie ihre Ausbildung unterbrochen. Nun wollte sie damit wieder anfangen und noch motivierter als vorher, die beste Ärztin der Welt zu werden. Ama war glücklich gewesen, Oto gefunden zu haben. Sie gab ihm das, was er sich schon so lange wünschte, eine Familie.

 

 

 

Dann ging auch Sayoko, die die kleine Tsuru mit sich nahm, was Ginta sehr verwunderte. Sie wollte Tsuru unbedingt ein neues Zuhause suchen, doch Ginta hatte mehr das Gefühl, dass sich am Ende Sayoko selbst um sie kümmern würde. Die einst finstere Sayoko, die sich nur um ihren Kram kümmerte, wurde zu einer liebevollen, fürsorglichen Person. Ginta wusste aber, dass es keine Veränderung war, die plötzlich geschah. Dieses Potential lag schon immer in Sayoko. Deswegen vertraute er ihr so.

 

Tsuru hätte sich vielleicht etwas ganz anderes gewünscht, aber soweit dachte sie nicht nach. Sie war glücklich, bei Sayoko und Kûosa bleiben zu dürfen. Sie fühlte sich mutig und stark und wünschte sich, so zu werden wie Sayoko.

 

Was wohl aus Kûosa wurde? Dieser Kauz würde sich wohl nie verändern, da war Ginta sich sicher. Und irgendwie fänden die Zwei auch einen Weg, Kûosa vor der Öffentlichkeit zu schützen.

 

 

 

Darauf folgte Jumon, der sich verabschiedete um zurück in sein verschneites Dorf zu gelangen. Er freute sich so sehr, Sabî und Ogata wieder zu treffen. Außerdem erzählte er Ginta und den anderen davon, dass er über die Abenteuer schreiben wollte, die sie zusammen erlebt hatten. Ein toller Gedanke, den ständig lesenden Jumon auch einmal ein Buch schreiben zu sehen. Als Jumon Zuhause ankam und er mit seinem Finger über die verstaubten Einbände seiner Bücher fuhr, wusste er, dass diese Reise ihm den Horizont mehr erweitert hatte, als es je ein Buch zu vermögen schien.

 

Er erinnerte sich an die Insel. Als er dort Rukiyo traf, um ihn seinen letzten Wunsch zu erfüllen, da wusste er, dass er mit seinen Kräften noch viel mehr bewirken konnte. Außerdem war er so neugierig herauszufinden, wo sich Gaaras Seele nun aufhielt, dass ihn dieses Verschwinden lange Zeit beschäftigte.

 

 

 

Nun waren nur noch Ryoma und Sora übrig, die Ginta bis nach Hause begleiteten. Ryoma fasste es nicht, Ginta nun „Auf Wiedersehen“ sagen zu müssen. Doch er tat es ein weiteres Mal. Nachdem im Archiv des Hauptquartiers die Dokumente vollkommen zerstört wurden, musste Ryoma einen anderen Weg finden, an Informationen über seinen Vater zu kommen. Es gab noch so viele andere Quartiere, die es zu durchstöbern und zu vernichten gab. Ryoma fasste sich das Ziel, seinen Vater zu finden und die letzten Brennpunkte der Shal zu zerschlagen. Ginta wünschte ihm viel Erfolg dabei, nachdem seine Bitte, auf diese Reise mitkommen zu dürfen, von Ryoma verneint wurde. Ginta hatte genug für ein Abenteuer geleistet.

 

 

 

Nun blieben noch Ginta und Sora, die natürlich zurück nach Kueteika gingen. Ihr Leben normalisierte sich mit der Zeit und Ginta ließ keinen Tag verstreichen, an dem er nicht an seine Abenteuer und an seine Freunde dachte. Die Freundschaft mit Sora wurde immer enger. Er versuchte, immer das Beste aus seinem Leben zu machen, anderen zu helfen. Ab und an schrieb er Briefe an seine Freunde und traf sich wieder mit ihnen. Der Kontakt brach nie vollständig ab.

 

Doch eines Tages, nachdem er seine Freunde für lange Zeit nicht mehr gesehen hatte, passierte plötzlich etwas Merkwürdiges. Als er seine alte Tasche, mit den Dingen die er damals dabei hatte, auf seinem Dachboden fand und sie ausleerte, entdeckte er ein Buch. Ein Buch mit einem tiefblauen Einband.

 

Neugierig wie er war, schlug er es auf und las darin.

 

 

 

Was ist das hier für ein Buch? Ein Tagebuch? Ich kann mich an nichts erinnern, woher ich komme und was ich tue... Ich bin gefangen in einer Art Zelle. Komische Leute passen auf mich auf... Was passiert hier? Ich habe das Gefühl, dass dieses Buch der einzige Weg ist, mich zu befreien, also schreibe ich hinein... Fortan sollst du mein Tagebuch sein...

 

 

 

Ginta blätterte auf die nächste Seite.

 

 

 

Heute Nacht habe ich von einem Jungen geträumt. Einem Jungen der so warm war wie ein Sonnenstrahl. Mir war so kalt und ich wollte, dass er mich befreit.

 

Ich habe nach ihm gerufen. Immer und immer wieder seinen Namen wiederholt.

 

Ginta... Wann kommt Ginta und befreit mich? Ich habe Angst.

 

Ich hoffe, dass ich in der nächsten Nacht wieder von ihm träume. Vielleicht hört er mich dann besser...

 

 

 

„Shiana...“, murmelte Ginta vor sich hin, und las weiter. „Sie ist noch dort draußen, ich spüre es...“

 

 

Ende

 

 

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