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Kapitel 26 – Ginta und Sayoko in der Antiken Stadt

 

 

 

Ein neuer Morgen brach an. Nach dem Frühstück machten sich alle für die Abreise bereit. Verschlafen räumten sie ihre Sachen, die sie für die Nacht brauchten, auf und packten noch den Rest zusammen. Myu kuschelte sich wieder in Gintas Tasche. Sie war wohl ziemlich erschöpft von der letzten Nacht, in der sie damit beschäftigt war, im ganzen Haus herum zu streunen.
Nach nicht allzu langer Zeit waren nun alle für ihre Abreise bereit. Erschöpft stützte sich Ginta an die Seite von Sayoko, die es wohl gar nicht störte. Ginta hatte diese Nacht kein Auge zubekommen.
Nun stand auch Uzryuuk endlich auf und verabschiedete sich liebevoll von allen. Dann machten sie sich auf den Weg zum Fuße des Shimorita. Alle waren so müde und kraftlos, dass keiner ein Gespräch begann. So war der Pfad, den die Freunde entlangliefen, von einer müden Stille begleitet.
Der Weg war viel angenehmer geworden, denn das Gefälle war nicht so groß, außerdem hielt sich der Schneefall in Grenzen. Die Flocken, die vom Himmel fallen wurden immer weniger, bis es endlich ganz aufhörte und durch die dicken Wolken am Himmel auch ab und zu einmal die Sonne zum Vorschein kam.
Erstaunlicherweise dauerte es nur wenige Stunden, bis sie endlich den Fuße des Shimorita erreichten. Ein Glück, endlich konnte man den Berg hinter sich lassen.

 

Vor ihnen Streckte sich nun eine riesige Landschaft, die die Freunde richtig zum staunen brachte. Riesige Felder übersät mit riesengroßen Windrädern zierten dieses atemberaubende Panorama.
„Was ist das?“, fragte Oto, die sich als Erste traute, dazu was zu sagen.
Ginta öffnete endlich wieder seinen Mantel und zog die Jacke aus, die er darunter trug.
„Es ist wieder warm! Wie schön das ist...“, seufzte er erleichtert. „Schaut mal diese riesigen Windräder!“
„Warst du schon mal hier?“, erkundigte sich Oto bei Jumon.
„Nein, ich habe nie den Berg verlassen, aber selbst von der Spitze aus konnte man diese Landschaft nicht erkennen. Die Wolken verdeckten immer die Aussicht.“
„Gehen wir schon weiter!“, quengelte Sayoko und murmelte anschließend eher zu sich selbst,„Die haben in den Jahren aber auch viel verändert...“
„Du warst schon mal hier?“, fragte Ginta neugierig nach, der ihre Worte hörte.
Sayoko seufzte und meinte dann: „Ja, leider... Wohin führt uns eigentlich unser Ziel?“
Sayoko wandte sich nun zu Oto, die gerade dabei war, ihre Karte aus ihrer Tasche zu kramen. Zuvor zog sie jedoch ihre Jacke aus und tat es Ginta gleich, der mit ihr die Wärme der Sonne genoss. Dann machten sich die anderen auch etwas freier.
„Wir müssen zum Med-Dorf...“, erklärte Oto und zeigte mit ihrem Finger auf eine Stelle auf der Karte. „Es müsste ungefähr hier liegen. Unser Weg führt uns dann ungefähr hier entlang.“ Sie fuhr mit ihrem Finger eine Route entlang und zeigte den anderen, welchen ungefähren Weg sie einschlagen müssten.
Sayoko passte das gar nicht.
„Aber schau doch mal, wie lange wir da noch laufen müssten! Das geht doch gar nicht! Die erste Stadt können wir schon durchqueren, aber dann würde ich empfehlen, diese Route zu nehmen. Die erste Stadt heißt Langoria Ite. Wenn wir dann aber eine andere Richtung als du einnehmen und mal in Prûo vorbeischauen, können wir in der nicht weit entfernten Krisha City vorbeischauen. Dort gibt es einen recht billigen Zug, der uns dann nach Mayima führt. Dann müssen wir nur noch nach Tho’shka und schon sind wir nicht mehr weit entfernt von deinem Dorf da. Wenn wir uns beeilen dann könnten wir es in rund einer Woche schaffen, dort anzukommen...“
Als sie alle total verwundert ansahen, räusperte sie und beschwerte sich: „Was gibt’s da zu glotzen? Ich kenne mich hier nun mal aus, was dagegen!?“
Mit großen Augen sahen sie Sayoko an und schüttelten fast gleichzeitig ihren Kopf.
„Auf geht’s nach Langoria Ite!“, brüllte sie überraschend enthusiastisch dem Himmel entgegen und machte sich als Erste auf den Weg.
„Kennt ihr diese Frau überhaupt?“, fragte Jumon interessiert.
„Nein“, meinte Oto. „Sie ist uns einfach gefolgt...“
„Das... ist doch wahrlich ein schlechter Scherz!“, antwortete er und starrte weiter auf Sayoko, die gerade dabei war, fast zu rennen.
„Sayokochen! Warte doch auf mich!“, rief Ryoma ihr hinter her und folgte ihr. Zuvor packte er natürlich Oto am Arm und zog sie mit sich. „Otoschatz, du darfst auch nicht fehlen!“
Als er das sagte, grinste er sie an und stampfte Sayoko weiter hinter her.
Ginta seufzte auf. Jumon sah ihn darauf verwirrt an und wollte schon fragen, was los wäre, als er meinte: „Da hab ich mir ja mal Freunde ausgesucht...“
Verträumt sah Ginta den dreien nach und schritt dann auch guten Herzens voran.
„Na gut, wenn ihr alle so meint...“, murmelte Jumon und holte ein Buch aus seiner Tasche und begann, darin zu lesen, während er den anderen folgte.
Ryoma, der Oto Huckepack tragen wollte, schritt mit ihr voran. Ein paar Schritte weiter hinten liefen Ginta und Sayoko nebeneinander. Er schaute immer wieder zu ihr rüber, um sie zu beobachten. Sie summte daraufhin genervt eine Melodie und versuchte ihre Schlagader so gut wie es ging zu verbergen. Beide verloren kein Wort. Jumon lief als Letzter hinter Sayoko und Ginta und las in seinem Buch über Geister. Die ganze Zeit murmelte er bestätigend etwas von Geistern, wie sie die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beeinflussten und wie sogar welche einen zeitlichen Sprung von der Vergangenheit in die Gegenwart machten.
„Ginta?“, machte Jumon auf sich aufmerksam.
„Was ist?“, sagte Ginta über seine Schulter.
„Du hast doch damals von dem Geist in deinem Zimmer gesprochen, stimmt’s?“
„Ja, was ist mit dem?“
„Ich lese gerade, dass die meisten Geister Menschen nur begegnen, weil diese aus der Vergangenheit stammen. Sie kennen sich entweder nicht mit der Gegenwart aus oder...“
„... sie versuchen Kontakt mit ihnen aufzunehmen, weil es sich um etwas Wichtiges handelt, stimmt’s?“, beendete Sayoko den Satz prahlend.
„Woher...“, wollte Jumon nachfragen, doch er wurde sofort unterbrochen.
„Ich bin Wahrsagerin, ich habe schon Erfahrung mit Geistern aus der Vergangenheit, die einer bestimmten Person etwas sagen wollten. In letzter Zeit habe ich auch viele Erfahrungen mit solchen Geistern sammeln können...“
„Viele Erfahrungen? Du meinst wohl, weil du die Geister spüren kannst, die ständig um mich herum wuseln?“ Jumon lachte.
Sayoko gab keine Antwort.
‚Also nicht nur ich spüre solche Energien’, dachte sich Ginta. ‚Nicht nur seit Sayoko dauerhaft bei unserer Gruppe ist, nein, auch seit Jumon sich uns angeschlossen hat, spüre ich wieder dieses Brennen an meinem Mal...’
Ginta passte in diesem Moment nicht auf, stolperte über einen Stein und fiel hin. Während seines Sturzes riss er Jumon, der auf sein Buch fixiert war, und auch Sayoko mit. Sayoko schlug, wie Ginta, direkt auf den Boden auf. Gintas Amulett wurde nach vorne geschleudert. Jumon fiel auf Ginta und Sayoko. Irgendwie schaffte es Sayoko noch, das Amulett zu berühren.

Stille herrschte. Ginta stützte sich auf und schob den Körper, der auf ihm lag, beiseite. Wie aus einem Traum erwacht stand er auf, gähnte und hielt sich seinen Kopf, der vor Schmerzen nur so brummte.
„Au! Musste das sein?!“, brüllte er.
„Das war doch alles deine Schuld! Wärst du nicht über diesen behinderten Stein gestolpert, dann...“, verteidigte sich Sayoko, „... dann wären wir nicht hingefallen. Und schau mich mal an! Meine Kleidung ist voller Dreck!“
Sie wischte sich den Dreck von der Robe und schaute Ginta sie grimmig an.
Sayoko entgegnete diesem Blick ebenfalls mit einem bösen Blick, so ging das, bis Ginta plötzlich hoch fuhr.
„WAS hast du denn da an!?“, bemerkte Ginta und zuckte fast vor Schreck zurück.
„Das fragst du lieber dich selber, Bürschchen!“, gab sie ihm zur Antwort.
Beide sahen sich erstaunt an. Danach warfen sie einen Blick zu ihrer Umgebung.
„Ginta!?“
„Was ist, Sayoko?“
„Wo sind wir hier?!“
Beide befanden sich in einer großen, altertümlichen Stadt, die sich wohl in einer Wüste befinden musste. Der Boden war total sandig und außerdem brannte die Sonne ziemlich heiß auf den Boden hinab. Wo befanden sich Sayoko und Ginta genau? Außerdem fragten sich beide, wo wohl die anderen waren. Weder Jumon noch Oto noch Ryoma waren weit und breit zu sehen.
„Wo sind wir?“, wunderte sich Sayoko, die gerade dabei war, die Umgebung abzuschnüffeln.
„Was machst du da? Riechst du die Umgebung?“
„Nein! Ich schnüffle nach einer Verschwörung!“, griff sie Ginta energisch an.
Ginta kümmerte sich nicht weiter um sie und ging den Weg entlang, auf dem sie standen.
„Ich glaube, ich frage mal hier jemanden, wo wir sind...“
„Meinst du wirklich, das ist eine gute Idee? Na gut, in dieser großen Stadt kennen wir uns ja sowieso nicht aus.“

Ein wiederholtes Mal seufzte Sayoko und lief Ginta ihr hinterher.
Ginta versuchte, während er lief, sich mit seiner neuen Kleidung auseinander zu setzen. Er hatte eine andere Hose an als vorher, kein Oberteil, sondern nur einen Umhang, der so ähnlich aussah wie sein normaler. Er trug auch andere Schuhe.
Zu seinem Unglück hatte er gar nichts dabei. Weder seine Tasche, noch sein Amulett oder jegliches anderes Kleinzeugs. Irritiert schritt er weiter voran und versuchte einen Passanten zu fragen, in welcher Stadt sie sich befanden. Aber leider lachten sie ihn alle aus und meinten, dass er es ja eigentlich wissen müsste, er trägt ja die normale Stadtkleidung, also konnte er kein Fremder sein.
Nicht mal Kinder konnten sie fragen, die spielend durch die Gassen rannten.
Ginta lief, ohne es überhaupt zu merken, einen kleinen Hügel hoch, direkt gefolgt von Sayoko, die schon wieder eine Pause wollte. Also setzten sie sich auf den Boden und betrachteten die Stadt von diesem Hügel aus.
Es brauchte einige Minuten, bis beide merkten, dass im Zentrum der Stadt ein riesiges palastartiges Gebäude stand.
„Ginta...“
„Was ist, Sayoko?“
„Schau mal da!“ Sie zeigte mit ihrem Finger direkt auf dieses Gebäude. „Schaut aus wie ein Rathaus. Sollten wir nicht mal dort nachfragen? Die könnten uns sicherlich weiterhelfen, oder?“
„Das wäre wirklich eine gute Idee...“
So machten sich beide zum Zentrum der Stadt auf. Nach nicht nur einer Viertelstunde erreichten beide dieses Gebäude und betraten es voller Hoffnung. Zu ihrer Überraschung stellte es sich heraus, dass das kein Rathaus war, sondern wirklich ein Palast. Zwei weibliche Bedienstete begrüßten die beiden und führten sie gleich in einen Saal.
„Wir wissen schon, wohin Sie wollen“, sprach die eine und schritt voran.
„Wir wussten gar nicht, dass noch mehr Kinno-Bujin zu uns stoßen...“, meinte die andere und schob Ginta und Sayoko in den riesigen Saal.
„Kin... was?“, wunderte sich Sayoko und versuchte sich gerade von dem Griff dieser einen Bediensteten zu befreien, als sie selber losließ und die Tür hinter Ginta und ihr zuschlug.
Nun standen sie da. In einem Raum voller Menschen, mit komischen Gewändern und vielen Waffen. Ganz hinten im Raum war eine große Bühne.
„Wo sind wir hier?“, wandte sich Ginta zu Sayoko, die gerade dabei war, den Raum zu verlassen. „Hey! Warte auf mich!“
Er lief ihr hinter her.
Wütend wie sie war, trampelte Sayoko zu den Bediensteten hin und beschwerte sich, was das denn sollte.
Die Antwort war: „Sie gehören doch zu den Kinno-Bujin, sonst würden Sie nicht dieses Armkettchen tragen. Hier findet gerade eine Versammlung der größten Kinno-Bujin statt, die sich noch einmal strategisch über den wohl bald kommenden Krieg unterhalten werden. Da Sie auch zu ihnen gehören, ist es von größter Wichtigkeit, dass sie dem Vortrag beiwohnen.“
„Hören Sie, Sie...“ Sayoko wollte sie schon fast beschimpfen, ließ es aber dann doch sein. „Ich will sofort zum Verwaltungsbereich dieses Gebäudes! Und dann will ich den Bürgermeister sprechen!“
„Entschuldigen Sie bitte, aber was ist ein ‚Bürgermeister’?“
Ginta griff ein: „Ich bitte um Verzeihung. Meine Freundin hier meint den König...“
„Der König ist gerade dabei, eine neu entdeckte Ruine zu untersuchen. Sie finden diese nord-westlich der Stadt.“
„Nicht noch mehr laufen“, seufzte Sayoko, die schon wieder von allem genervt war.
„Gibt es hier nicht bessere Fortbewegungsmittel?“, erkundigte sich Ginta, der die ganze Situation extrem komisch fand. „So etwas wie Kutschen?“
„Wir hätten natürlich einen Kutschenservice. Dieser ist aber recht teuer. Haben sie ein Glück, dass Sie zu den Kinno-Bujin gehören, die während dieser Zeit kostenlosen Unterhalt bekommen. Sie dürfen alle Dienstleistungen in unserer Stadt kostenlos genießen.“
„Juhuu! Besser kann’s uns Kinno-Bujin gar nicht gehen!“, rief Sayoko aus, die gerade dabei war, einen Freudentanz aufzuführen.
„Diese Frau macht mir Angst...“, flüsterte Ginta, fragte noch einmal nach dem Weg und verließ dann diesen Palast.
Nach ihrem Tanz machte sich Sayoko dann auch auf den Weg, und als beide das Gebäude verließen, beugte sich die eine Bedienstete zur anderen und flüsterte: „Der Kleine war ja süß!“
„Genau! Er sieht ja auch ein wenig aus wie Gaara...“, antwortete die andere.
„Ob er sein Sohn ist? Ich hätte nie gedacht, dass Gaara Kinder hat...“
„Das dachte ich ja auch nicht... Aber bei der Schar von Frauen, die Gaara verehren, ist das kein Wunder mehr...“
„Jaaa! Gaara, ich finde ihn so süß!“ Man merkte richtig, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.

Sayoko und Ginta brauchten nur ihre Armkettchen vorzuzeigen und schon wurden sie durch die halbe Stadt gefahren. An der Ruine angekommen, mussten sich beide erstmal auf dem großen Areal zurechtfinden. In dieser wüstenähnlichen Landschaft, weit außerhalb der Stadt, fanden sie nur einen alten Tempel vor, der richtig antik aussah. Beide ahnten noch nicht, dass der König ein richtiger Ruinenfanatiker war.
Gerade wollten sie die ersten Stufen der Treppe hinauf in den Tempel hinaufgehen, als eine relativ dunkle Stimme rief: „HALT! Ihr da! Keinen Schritt weiter!“
Von oben kam ein recht großer, dickwanstiger Mann mit grauem Bart herunter gerannt und beschwerte sich darüber, wie man es wagen könnte, diese Ruine kaputtzumachen.
Erschrocken standen die beiden da und starrten diesen Mann an, der wohl der König sein musste. Er trug auffällige, königlich wirkende Kleidung und außerdem erkannte man einen dicken Goldring an seinem rechten Ringfinger.
„Entschuldigt bitte, wenn es um Ruinen geht, dreht Soreiyuu völlig durch...“, meinte eine andere Stimme und ein Mann mit roten Haaren, dessen Spitzen so weiß wie Gintas waren, erschien. Seine Kleidung war ziemlich normal. Er trug, für diese Zeit, gewöhnliche Schuhe und eine normale Hose. Ein gewöhnliches Oberteil, und eine Weste, an dem Wurfmesser befestigt waren.
„Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich vor Fremden mit König ansprechen sollst!“ Der König war gerade dabei dem anderen Mann eine Kopfnuss zu verpassen, aber dieser wich aus und kratze sich an seinem Kinnbart.
„Tja... Du und König? Opa, du liegst ja schon fast im Grab...“ Er lachte und bekam dann doch eine Kopfnuss.
„Darf ich mich vorstellen?“ Der König wandte sich nun wieder zu Ginta und Sayoko. „Ich bin König Soreiyuu. Das ist Gaara, einer der mächtigsten Krieger des Landes...“
Ginta fuhr hoch.
‚Gaara? Diesen Namen habe ich doch schon einmal gehört! Das war damals in Kueteika... Servant... Ich weiß es genau! Er hat mir davon erzählt, wie Gaara einst das Land vor der Finsternis befreit hat... Ist er dieser Gaara? Das kann doch nicht sein, wieso stehe ich vor ihm? Das ist doch alles gar nicht möglich! Wieso... Wieso bin ich hier? Was soll das ganze hier?’
Sayoko bemerkte, wie unruhig er in diesem Moment war. Sie wusste sofort, dass Ginta sich nichts anmerken lassen wollte und spielte einfach mit.
Sie warf sich auf ihre Knie und zog Ginta mit sich.
„Oh, ehrenwerter König! Wir bitten Euch und Eure besten Magier des Landes um eine Privataudienz! Mein Freund hier und ich haben da nämlich ein Problem, dass wir in der Öffentlichkeit nicht ansprechen wollen! Und Ihr, oh großer Krieger Gaara, wir bitten Euch auch mit uns zu kommen...“
Als sie mit ihrer Bitte fertig war, beugte sie sich noch zu Ginta rüber und flüsterte: „Ich habe einen Plan, wie wir wieder zurück kommen. Ich weiß zwar auch nicht, wer diese Leute sind, aber du hast da wohl mehr Ahnung als ich, oder?“
Ginta sah sie total erschrocken an und nickte zögerlich.
Der König lachte herzhaft und antwortete: „Von mir aus ihr zwei, ich kenne euch zwar nicht, aber ihr seid mir so was von sympathisch!“
„Das ist doch jeder, der sich dir vor die Knie wirft, du alter Greis...“, erwiderte Gaara in einem sehr sarkastischen Ton.
Der König betrat noch kurz den Tempel, um seinem Team aus Archäologen Bescheid zu geben, dass er nun wieder für einige Zeit im Schloss sein würde.
Nach einer weiteren Kutschfahrt befand sich die Gruppe, bestehend aus Ginta, Sayoko, Gaara und dem König wieder in dem Schloss. Ein gut versteckter Gang führte die vier Personen in einen sehr dunklen Raum. Es befanden sich schon einige andere Personen in dem Raum, die in einem Kreis saßen.
„Sie sind aber schnell“, meinte Sayoko und setzte sich in die Mitte des Kreises. „Ich habe ein wenig Erfahrung mit solchen Dingen.“
Ginta ging die ganze Sache etwas zögerlicher an. Er sah sich erstmal in der Gruppe dieser Magier um und entdeckte doch wirklich Servant und Uzryuuk! Er traute seinen Augen nicht, blinzelte noch einmal kräftig, rieb sich die Augen, aber nein, es waren ganz sicher Servant und Uzryuuk, die ihn dann auch noch frech angrinsten.
Wohin war er da nur geraten? Sein einziges Ziel war es doch, das Hauptquartier der Shal zu erreichen, mehr über seine Eltern zu erfahren und sich für die Taten der Shal an der Menschheit zu rächen! Das Schicksal wollte wohl nicht so, wie er es wollte. Er geriet zusammen mit Sayoko in eine antike Stadt, entdeckte zwei Personen, die da nicht sein dürften und traf zu alle dem auch noch auf Gaara, der ja sein Ahne sein sollte.
Er wusste echt nicht mehr weiter. Was sollte das Ganze? Wieso er? Wieso konnte er nicht einfach seine Reise fortsetzen, um endlich das Geheimnis um seine Eltern und deren Tod zu lösen?
Er warf sich auf seine Knie und fing fast an zu weinen.
„Ginta!“, rief Sayoko. „Was ist los?“
Sie ging zu ihm hin und beugte sich zu ihm herunter. Tröstend legte sie ihren Arm und seine Schulter und versuchte ihn weiter aufzumuntern: „Jetzt wein doch nicht! Ich hab alles im Griff, wir kommen schon wieder zurück nach Hause...“
Uzryuuk stand auf und sprach: „Ginta, Sayoko... Danke, dass ihr hier wart, aber jetzt ist es für euch Zeit zu gehen...“
Ihre Stimme wurde immer undeutlicher
„Gaara, nun siehst du, für welches Kind du kämpfst, für was du diesen Krieg gewinnen musst... Jetzt bist du an der Reihe!“
Gaara bat beide aufzustehen. Er stand nun vor Sayoko und Ginta und holte sein Amulett hervor. Es fing an Ginta entgegenzuschweben und leuchtete ziemlich stark.
Mit seinen Händen berührte er die Schultern beider und murmelte etwas in einer unverständlichen Sprache.
Im nächsten Moment fuhr durch die zwei ein gigantischer Energiefluss und beide fanden sich nun in einer Leere wieder. Beide waren nackt, sie konnten nichts klar sehen. Lauter Wind umgab beide und durchströmte ihre Körper.
Was war passiert? Was hatte Gaara mit beiden angestellt? Wieso passierte das alles?
Wieso?

Kapitel 27 - Angst um Tod

 

 

 

Es herrschte Ruhe. Man konnte den Wind durch das Blätterwerk der Bäume rascheln hören. Jumon rieb sich den Kopf und ging von Ginta und Sayoko herunter, die reglos auf dem Boden lagen. Jumon entschuldigte sich vielmals, aber die beiden antworteten einfach nicht.

 

Er stupste sie an, um zu sehen, ob sie reagierten, aber vergebens. Sie lagen immer noch auf dem Boden, ohne irgendetwas zu machen.

 

Ryoma und Oto, die mittlerweile ein Stückchen weiter gelaufen waren, hielten an und drehten sich um. Fragend sahen sie Jumon an.

 

„Oto, Ryoma!“, schrie Jumon auf. „Die beiden sind bewusstlos!“

 

Als Oto das hörte, rannte sie gleich zurück und legte Ginta und Sayoko nebeneinander. Sofort überprüfte sie Puls und Atmung.

 

Verwundert sah sie sich um und stotterte: „Ihre... Ihre... Ihre Herzen schlagen nicht, aber sie atmen noch. Das ist normalerweise unmöglich!“

 

Ohne weitere Gedanken zu verschwenden, begann sie mit der Reanimation. Verzweifelt beugte sie sich über die Brust von Ginta und versuchte gleichzeitig, sich um Sayoko zu kümmern.

 

Ryoma stand nun auch neben ihr und wusste nicht, was zu tun war. Ebenso wie Jumon sah er erschrocken zu.

 

„Jetzt helft mir doch!“, brüllte Oto und beugte sich nun über Sayoko.

 

Jumon begriff, was er zu tun hatte, kniete sich zu Ginta runter und tat das Gleiche wie Oto. Aber er hatte keine Ahnung von lebensrettenden Notmaßnahmen und konnte sich nur darauf verlassen, dass er alles richtig machte. Doch da sich Ginta immer noch nicht regte, war er sich fast sicher, dass er irgendetwas falsch gemacht hatte, obwohl es bei Oto und Sayoko auch nicht gerade besser aussah.

 

Oto versuchte es noch einige Male, bis sie dann doch aufgab. Sie starrte die reglosen Körper ihrer zwei Freunde an.

 

„Los, bringen wir sie in die nächste Stadt! Da muss es einen Arzt geben!“, meinte Ryoma und nahm Ginta Huckepack.

 

„Vielleicht kann uns da jemand weiterhelfen“, antwortete Oto und versuchte Sayoko zu tragen während sie murmelte. „Das ist doch eigenartig, sie atmen doch noch...“

 

Jumon half ihr dabei, also war Sayoko für sie nicht allzu schwer. Myu, die schon längst aus Gintas Tasche raus gesprungen war, rannte neben Ryoma her und hatte immer ein Auge darauf, dass er Ginta nichts antat.

 

Alle drei rannten so schnell es ging weiter den Weg entlang, um endlich der Stadt näher zu kommen. Nach ungefähr fünfzehn Minuten erreichten sie schon den Eingang der relativ kleinen Stadt. Auf einem Schild stand geschrieben: ‚Langoria Ite’.

 

Ryoma sprintete eine Straße entlang, um einen Arzt zu finden und stieß dabei einige Passanten beiseite. Das Einzige, was er vorfand, war eine Herberge, in die er gleich reinstürmte. Hektisch stand er an der Rezeption und erklärte die Situation. Die Frau, die dort gerade am arbeiten war, gab ihnen sofort einen Schlüssel und schickte jemanden los, um einen Arzt zu benachrichtigen. Oto und Jumon kamen einige Momente danach ebenfalls an und Ryoma trug Sayoko die Treppen hinauf und legte sie in ein zweites Bett, das neben dem stand, in dem Ginta lag.

 

Oto packte sofort ihre Medikamente und Instrumente heraus und untersuchte die zwei erneut.

 

Wieder stellte sie fest, dass die zwei zwar atmeten, aber ihre Herzen nicht schlugen.

 

„Wie... Wie kann das nur sein? Medizinisch betrachtet ist das unmöglich“, beklagte sie sich und bekam nichts zur Antwort.

 

Es herrschte wieder diese komische, beunruhigende Stille. Jumon blätterte in einem seiner Bücher, um vielleicht etwas herauszufinden, doch auch er fand nichts.

 

Niedergeschlagen warf er das Buch in eine Ecke und setzte sich auf einen Stuhl. Bedrückt blickte er zu Boden und im nächsten Moment wurde auch schon die Tür von einem Arzt aufgerissen.

 

„Ihr braucht mir nichts erklären, die zwei da auf dem Bett, stimmt’s?“ Hektisch packte er einige Geräte und Instrumente aus seiner großen Tasche und untersuchte die zwei ‚Patienten’.

 

„Es ist zwecklos...“, seufzte Oto. „Ich habe die zwei schon untersucht, sie atmen zwar, aber ihre Herzen schlagen nicht...“

 

„Sie kennen sich anscheinend aus“, antwortete ihr der Arzt.

 

„Ich bin ausgebildet in dem Bereich...“

 

Er überlegte eine Weile und schlussfolgerte aus der Situation: „Ich denke, das ist eine Reaktion von eingeklemmten Nerven. Eine komische Bewegung... ein Sturz oder ein Aufprall, ein ziemlich Plötzlicher, könnten der Grund dieses Übels sein, stimmt das?“

 

Oto nickte.

 

"Das Beste wäre, wenn sie versuchen würden, eine Herzmassage zu geben. Es wäre nicht schlecht, wenn sie das am ganzen Oberkörper durchführen würden. Das war es dann leider auch schon... Es tut mir Leid...“

 

„Ich denke, ab hier komme ich allein zurecht“, erklärte Oto und führte den Arzt zur Tür.

 

Als sie zurückkam, krempelte sie ihre Ärmel hoch und setzte sich auf Ginta. Sie zog ihm sein Oberteil aus und fing an, seine Brust zu massieren.

 

„Ryoma, du machst das Gleiche bei... Nein! Jumon, du machst bitte das Gleiche bei Sayoko wie ich gerade bei Ginta, ok?“

 

Entsetzt sah er sie an, und tat, was ihm befohlen wurde. Er zog ihr mit zitternder Hand das Oberteil aus und versuchte ihre Brust zu massieren. Dabei stellte er sich total unsicher an. Sein Kopf sah aus wie eine leuchtende Tomate.

 

Ryoma setzte sich an den Tisch, der im Zimmer stand und bereitete für alle etwas zu essen vor. Irgendwie hatte er vor lauter Aufregung mächtig Kohldampf bekommen.

 

Als er damit fertig war, aßen Oto und Jumon schnell etwas und setzten ihre Arbeit fort. Nach einigen Stunden voller Herz- und Körpermassagen vielen beide erschöpft von den Betten. Ihre Hände waren taub, und sie fühlten nur noch einen ziehenden Schmerz im Arm.

 

Es brachte einfach nichts. Die ganze Massage brachte nicht mal ein Zucken eines Muskels bei Ginta und Sayoko.

 

Immer noch reglos lagen sie auf den Betten.

 

Weitere Stunden vergingen, in denen Oto, Ryoma und Jumon nichts machen konnten, außer warten und darauf hoffen, dass die zwei aufwachen würden.

 

 

 

Es wurde langsam Nacht, und Oto wich Ginta nicht von der Seite. Sie saß auf einem Stuhl und lehnte sich über seinen Körper. Myu lag neben Gintas Kopf und spielte ab und zu mit seinen Haaren.

 

Sayoko wurde von Jumon, der nun neben ihrem Bett lag, zugedeckt und Ryoma schlief auf dem Stuhl ein.

 

Es war alles so still. Wenn man genau hinhörte, konnte man das sanfte Atmen hören.

 

Diese schöne und ruhige Szene wollte man nicht unterbrechen. Sie sahen so friedlich aus, wie sie schliefen und träumten.

 

Wer aus dem Fenster sah, konnte die vielen tausend Sterne am Firmament sehen, die alle glitzerten. Keine einzige Wolke war am Himmel, genauso wenig wie der Mond, der in dieser Nacht wie verschwunden war.

 

Jemand setzte sich auf und hätte dabei fast Myu vom Bett gestoßen, wenn diese Person dies nicht früh genug gemerkt hätte.

 

„Aua... Das war vielleicht ein Traum...“, flüsterte diese Person.

 

„Das war kein Traum, Ginta...“, antwortete ihm eine andere, weibliche Stimme.

 

In diesem Moment realisierte Ginta, dass Oto in seinem Schoß lag, er kein Oberteil anhatte und sie in einem Zimmer waren. Er errötete bei dem Gedanken, nichts anzuhaben und dass Oto an seiner Seite schlief.

 

Schnell zog er die Decke über seinen Körper und legte Oto vorsichtig von seinen Beinen herunter.

 

„Was... Was war das?“

 

„Wir sind wohl in der Zeit gereist...“, stellte Sayoko fest und drehte sich zu ihm.

 

„Wie lange bist du schon wach?“

 

„Lang genug, um mitzubekommen, was passiert ist...“

 

„Kannst du auch mal nicht in Rätseln sprechen?“, erwiderte er genervt.

 

„Kannst du mal aufhören, so dumm zu fragen?!“, erwiderte sie kalt.

 

„Es tut mir ja Leid...“ Er wurde immer lauter.

 

„Psst!“, machte Sayoko und setzte sich ebenfalls auf.

 

„Ich weiß auch nicht so recht, was das war...“, meinte sie leise. „Aber ich weiß, dass es real war. Wir zwei haben da etwas erlebt, was kein Mensch vor uns erlebt hat. Ich hoffe, das ist dir bewusst...“

 

Ginta nickte und stand auf und zog Oto ins Bett.

 

„Schau dir mal an, wie fertig die aussehen...“, erkannte Ginta und legte Jumon in das Bett von Sayoko, nachdem sie aufgestanden war.

 

„Ich fühle mich super!“, sagte sie und streckte sich.

 

Als Ginta das sah, drehte er sich sofort um.

 

„Bin ich so hässlich?!“, erkundigte sie sich.

 

„Nein...“, antwortete er. „Aber du trägst keinen BH!“

 

Überrascht sah sie an sich herunter und erkannte das, was Ginta schon vor ihr bemerkt hatte.

 

„Hast du etwa Angst vor Brüsten?“, fragte sie fies grinsend und ging auf Ginta zu.

 

„N... N... Nein, das ist es nicht!“, stotterte er erschrocken. „I... I... Ich mein n... n... nur, dass ich s... s... so etwas noch nie zuvor gesehen habe!“

 

Sayoko grinste noch fieser, als ihr dieser Schwachpunkt von Ginta bewusst wurde. Langsam ging sie auf ihn zu und packte ihn an der Schulter, als wolle sie ihn zu sich herziehen. Doch im nächsten Moment ließ sie wieder von ihm ab und zog sich an.

 

Ginta traute sich immer noch nicht, sich umzuschauen und starrte stattdessen aus dem Fenster.

 

„Wir sollten die drei hier schlafen lassen, ich denke, wir zwei haben genug Schlaf hinter uns, stimmt’s?“, erklärte Sayoko voller Überzeugung und verließ das Zimmer.

 

Ginta folgte ihr sofort.

 

„Ja, da hast du wohl Recht... Ich will nicht wissen, was die drei heute alles geschafft haben...“

 

„Weißt du, Ginta, ich glaube, wir sollten keinem von unserem Erlebnis erzählen...“

 

„Wieso das?“

 

„Wieso denkst du, dass nur wir zwei dies erlebt haben? Und nicht zum Beispiel du und Oto oder Ryoma oder Jumon?“

 

„Weil... Ich weiß es nicht.“

 

„Siehst du, weil wir es noch nicht wissen, wäre es doch besser, erst zu erfahren wieso WIR das erlebt haben, stimmt’s?“

 

„Hmm... Ich denke mal, das wäre wirklich gut.“

 

„Außerdem, Ginta...“, fuhr sie fort.

 

„Ja?“

 

„Du hast einen echt heißen Körper. Glückliches Mädchen, das dich mal haben wird.“

 

Gemein grinsend lief sie weiter durch die Straßen der Stadt. Ginta wurde wieder rot und bemerkte, dass er ohne Jacke nach draußen gegangen war.

 

„D... Danke...“

 

Beide liefen noch ein Stückchen weiter.

 

„Langoria Ite... Eine schöne Stadt, nicht wahr?“

 

Ginta nickte nur und folgte ihr.

 

„Die nächste Stadt, die wir durchqueren müssen ist Prûo, stimmt’s? Das...“ Sayoko verstummte.

 

„Das was?“, fragte er nach.

 

„Schon gut. Es tut mir Leid, aber ich denke, dass ich euch dort verlassen muss. Es war schön mit euch zu reisen, aber... Ich habe wichtige Geschäfte zu erledigen.“

 

Ginta stellte sich vor Sayoko und umarmte sie auf einmal.

 

„Danke, dass du mit uns gereist bist. Ich werde unser Erlebnis nie vergessen, versprochen. Ich denke, das verbindet uns zwei...“

 

Er ließ von ihr los und lächelte sie an. Ginta kam aus dem Rotwerden gar nicht mehr heraus. Selbst ein kleines Grinsen konnte er auf Sayokos Gesicht zaubern.

 

'Wieso mache ich mir solche Gedanken', grübelte Sayoko stumm vor sich hin und lief mit Ginta weiter.

 

 

 

Am nächsten Morgen kamen Ginta und Sayoko von ihrem Spaziergang zurück und wurden herzlich von ihren Freunden erwartet. Oto hatte wieder Tränen in den Augen und umarmte Ginta kräftig.

 

„Ihr lebt wieder!“, stießen die drei erleichtert aus.

 

„Waren wir jemals tot? Ginta und ich haben doch eine Nachricht hinterlassen, bevor wir diesen Spaziergang gemacht haben“, wandte Sayoko genervt ein.

 

„Wir haben nur geschlafen“, meinte Ginta und kratzte sich verlegen am Hinterkopf.

 

„Ja, die Nachricht haben wir auch gelesen, aber es ist trotzdem schön zu wissen, dass ihr Wohlauf seid", meinte Jumon.

 

Kapitel 28 - Sayokos Blut

 

 

 

Prûo war eine sehr große und edle Stadt. Der Weg von Langoria Ite bis hierher war wirklich nicht lang gewesen. Es war vielleicht ein halber Tagesmarsch. Diese Stadt war wirklich sehr edel. Nein, richtig, richtig edel. Man sah keine normalen Häuser, sondern überall nur riesige Gebäudekomplexe und Villen. Sofort erkannte man die Sterne in den Augen von Oto.

 

„AHHH! Das ist ja mal eine schöne Stadt!“, schrie sie begeistert auf, nachdem sie durch das Eingangstor gegangen war.

 

„Das ist wirklich beeindruckend“, meinte Jumon.

 

„Ich hasse diese Stadt...“, murmelte Sayoko und schritt schnell voran.

 

„Warte doch, Sayoko!“, rief ihr Ginta hinterher, doch sie war schon in der nächsten Nebenstraße verschwunden.

 

„Dann stellen wir mal die Stadt auf den Kopf...“, schlug Ryoma vor und grinste die anderen an.

 

Das Wetter war schön. Die Sonne schien und es war angenehm warm. Myu lief an Gintas Seite. Sie schlenderten umher und fragten sich, was sie nun denn gern tun würden. Das Wichtigste aber, bemerkte Ginta, war doch, Sayoko zu suchen, die sich in dieser Stadt anscheinend sehr gut auskannte und die Freunde so herumführen konnte. So machten sie sich auf die Suche nach ihr, nachdem sie gemerkt hatten, dass Sayoko schneller verschwunden war als ihnen lieb gewesen ist.

 

 

 

Jede Villa sah zwar anders aus, aber dennoch verloren unsere Freunde nicht das Gefühl, im Kreis zu laufen. Es war ja auch wirklich schwer, sich in dieser großen Stadt zurechtzufinden. Selbst Passanten konnten sie nicht fragen, weil diese zu sehr beschäftigt waren.

 

„Was ist denn das für eine komische Stadt. Keiner hilft uns...“, beklagte sich Oto.

 

‚Ich kann mir gut ausmalen, warum Sayoko diese Stadt hasst... Aber was hat das mit ihren Erledigungen zu tun? Es schien nicht so, als hätte sie etwas dabei, dass sie ausliefern müsste. Ob sie was abholt? Aber für wen?’, überlegte Ginta still vor sich hin.

 

„Es wäre wirklich besser, wenn wir Sayoko finden, oder?“, wiederholte Jumon während er eine Villa betrachtete.

 

„Uns bleibt nichts anderes übrig“, seufzte Oto.

 

Es verging einige Zeit. Sie gingen durch die Straßen der Stadt, schauten in jede Gasse, sahen sich jeden Laden an, aber sie fanden Sayoko nicht. Ginta entschloss sich doch dazu, in einer kleinen Bäckerei nachzufragen.

 

„Entschuldigen Sie...“, fing er an und als er merkte, dass die Verkäuferin ihm Aufmerksamkeit schenkte, sprach er weiter. „Haben Sie eine junge Frau gesehen? Lange pinke Haare, trägt einen schwarzen Mantel. Ihr Name ist Sayoko...“

 

Die Verkäuferin schreckte auf.

 

„Sayoko? Ja, sie war vorhin hier und hat sich ein Stück Brot gekauft. Wieso? Was wollt ihr von ihr?“

 

„Sie gehört zu unserer Gruppe“, antwortete Ginta. „Wo ist sie hin?“

 

Ginta wollte sich nicht nur in der Stadt auskennen, sonst hätte er ja diese Verkäuferin nach dem Weg gefragt, nein, er machte sich wirklich Sorgen um Sayoko. Diese Frau steckte für ihn voller Rätsel und Geheimnisse. Ihr komisches Verhalten zerbrach ihm gerade den Kopf.

 

„Sie meinte, sie wolle jemanden besuchen gehen. Dabei verzog sie ihr Gesicht. Ich denke mal, sie ist zum Friedhof...“

 

„Wo ist der?“, fragte Ginta weiter.

 

„Sie folgen einfach diese Straße nach Norden. Wenn Sie am Ende der Straße angelangt sind, dann nehmen Sie den Weg nach links und nehmen die zweite Abbiegung rechts, ok?“

 

„Vielen Dank für Ihre Hilfe“, bedankten sich alle und verschwanden aus dem Laden.

 

Bald waren sie am Friedhof angekommen und sahen sich um. Sie fanden Sayoko nicht. Was allen sofort ins Auge fiel, war ein kleines Grab, das gar nicht geschmückt und auch ziemlich dreckig aussah. Im Gegensatz zu den anderen prachtvoll verzierten Gräbern fiel dieses wirklich auf.

 

Sie liefen zu diesem Grab hin und sahen es sich an. Es lag eine einzelne Blume auf der ausgetrockneten Erde. Auf dem kleinen Grabstein stand eine Inschrift.

 

„Sakura Fusai...“, las Jumon vor. “Gestorben ist sie heute genau vor zwanzig Jahren.“

 

Ginta kam ein Geistesblitz.

 

‚Sakura Fusai... Fusai... Sayoko heißt doch so! Das... Ist das ihre Mutter? Von der Lebenszeit her würde das perfekt passen. Also ist sie hier, um über den Tod ihrer Mutter vor genau zwanzig Jahren zu trauern. Das muss es sein. Aber wieso wollte sie das alleine?’, dachte er sich und wurde schnell unterbrochen.

 

„Wer ist das?“, fragte Jumon nach.

 

„Genau deswegen...“, seufzte Ginta. „Ich erkläre es euch: Das ist Sayokos Mutter. Sayoko wollte anscheinend ihr Grab alleine besuchen kommen.“

 

„Aber wieso? Wir hätten sie doch dabei nicht gestört“, erwiderte Ryoma.

 

„Weil wir sie dann mit Fragen gelöchert hätten. Sie würde das nicht wollen. Stellt euch vor, eure Eltern wären tot. Die Erinnerungen, das Geschehene, alles das ist schwer zu verarbeiten.“

 

„Das klingt plausibel“, unterstützte Jumon Ginta. „Machen wir uns wieder auf den Weg? Dieser Friedhof stimmt mich traurig.“

 

Alle seufzten.

 

Zum wiederholten Male machten sie sich auf den Weg, Sayoko zu finden, was in dieser großen Stadt wirklich nicht einfach war. Nach einer weiteren Stunde des Umherirrens legten sie eine Pause ein und aßen etwas in einem Park. Dieser Park war, genauso wie die Stadt, ziemlich groß und es wimmelte nur so von Grün. Viele Bäume, Büsche, Sträucher und Wiesen schmückten diesen.

 

Total genervt suchten sie dann weiter. Es schien wirklich, als wäre Sayoko komplett verschwunden. Selbst zum Eingangstor gingen sie zurück, um zu sehen, ob Sayoko dort wartete.

 

Aber vergebens, sie fanden Sayoko einfach nicht. Verzweifelt machten sie wieder eine kleine Pause.

 

„Jetzt kommt schon! Es geht um Sayoko“, munterte er alle auf.

 

„Ach wirklich? Eigentlich wollen wir doch wieder so schnell es geht aus dieser Stadt verschwinden!“, brummte Ryoma.

 

„Diese Villen kotzen mich langsam an“, nuschelte Oto.

 

„Ich will nicht mehr“, beschwerte sich Jumon leise, der wie gewohnt in einem Buch las.

 

„Jetzt hört doch endlich auf!“, brüllte Ginta, der langsam wütend wurde. „Wenn ihr nicht wollt, dann geht zum Eingangstor zurück!“

 

Was war es, das Ginta so in Fahrt brachte? Waren es die Gedanken über Sayoko, die ihn so verwirrten?

 

„Aber...“, wandte Oto ein.

 

„Was aber?“, fragte Ginta genervt.

 

„Ich könnte schwören, dass ich gerade Sayoko in diese Straße einbiegen gesehen habe!“ Sie zeigte mit ihrem Finger auf eine Nebenstraße.

 

„Worauf wartet ihr?“ Ginta rannte los und die anderen hatten es schwer, mit ihm mit zu halten.

 

Er sah sie. Er sah, wie Sayoko auf ein Grundstück ging und diese riesige Villa betrat.

 

Die anderen holten ihn endlich ein und sie blieben vor dem großen Zaun stehen.

 

„Da... Da ist sie rein gegangen“, erklärte Ginta.

 

„Das Beste ist, wir warten hier“, schlug Jumon vor. „Wer weiß, wer hier lebt.“

 

„Goyoko Fusai“, las Ryoma von einem goldenen Schild ab.

 

„Schon wieder dieser Name...“, erkannte Ginta. „Ist... Ist das ihre Familie?“

 

„Ich denke, es ist ihr Vater. Wenn ihre Mutter doch schon tot ist.“, erläuterte Jumon, der sein Buch wieder eingepackt hatte.

 

In diesem Moment kletterte Myu auf den hohen Zaun und sprang auf das Grundstück.

 

„Myu! Komm zurück!“, befahl ihr Ginta, doch sie hörte nicht.

 

Ginta seufzte wiederholt und meinte: „Uns bleibt nichts anderes übrig, als das Grundstück zu betreten, jetzt, da Myu ja auch schon auf dem Grundstück ist.“

 

„Was für ein Glück!“, freute sich Oto und klingelte.

 

Nachdem nichts geschah, klingelte sie wieder, doch niemand öffnete ihnen das Tor.

 

„Was für ein Zufall“, bemerkte Ryoma und kletterte ebenfalls über den Zaun. Als er auf dem Grundstück war, öffnete er von innen das große Tor.

 

„Danke, Ryoma“, bedankte sich Oto und gab ihn einen kleinen Kuss auf die Wange, woraufhin er fast in die Luft sprang, so sehr freute er sich.

 

Alle schlichen sich an ein Fenster und lugten hinein.

 

Was sie sahen, war ein riesiger Saal, der mit viel Gold und Marmor und etlichem anderem verziert war. Am einen Ende war eine Art Thron, auf dem ein dicker Mann saß. In der Mitte des Raumes stand Sayoko.

 

Durch einen kleinen Spalt im Fenster konnten unsere Freunde hören, was die zwei sich zu sagen hatten.

 

 

 

„Du bist also wieder zurückgekehrt, Sayoko...“, fing ihr Vater an.

 

„Ich bin nur wieder da, um es endlich zu klären! Heute vor genau zwanzig Jahren ist Mutter gestorben, nein, sie wurde umgebracht! Und ich weiß genau, dass du es warst!“

 

Ihr Vater, der viel Schmuck an sich trug, lachte finster.

 

„DU willst behaupten, ich hätte Sakura getötet? Ausgerechnet du, die doch so ängstlich von zu Hause weggerannt ist? Deine Mutter ist gestorben, weil du sie gehasst hast...“

 

„Das habe ich gar nicht!“ Sayoko brüllte ziemlich laut. „Du hast sie umgebracht! Sie war dir zu gutmütig, sie wusste, welche Machenschaften du betreibst! Diesen Abend werde ich nie vergessen! Ich bin mitten in der Nacht aufgewacht, weil du und Mutter gestritten habt. Ich habe alles mitbekommen... du hast sie dann kaltblütig ermordet...“

 

„Halt dein freches Mundwerk! Ich habe absolut nichts getan!“ Er stand auf und sein stämmiger Körper schwabbelte nur so vor Fett.

 

„Gib es doch endlich zu! Was bist du für ein feiges Monster, das noch nicht mal zugeben kann, was es getan hat!? Ich werde dich für den Mord an Mutter immer hassen! Ich lehne dich als meinen Vater ab... Du...“ Sie ballte ihre Faust und knirschte mit den Zähnen.

 

Man spürte ihre Wut. Es lag förmlich in der Luft. Gespannt hörten Ginta und die anderen zu.

 

„Hast du ein Glück, dass du es noch niemanden erzählt hast...“, lachte er überlegen. „Sonst hätte ich dich schon früher um die Ecke gebracht!“

 

„Du bist ein gieriges, widerwärtiges Monster! Wie viele mussten schon wegen deiner Gier nach Macht und Geld sterben!? Und du kannst noch nicht mal erahnen, was ich in den zwanzig Jahren alles durch gemacht habe! Ich habe auf der Straße gelebt und musste mich von halb verfaultem Brot ernähren! Es gibt Menschen, die wirklich gelitten haben... Was hast du die Jahre getrieben? Du hast hier in deiner Villa gesessen und dein Leben gelebt, als ob nichts geschehen wäre! Hoffentlich hast du deine Macht und deinen Luxus genossen!“

 

Er starrte sie an und fing plötzlich an lauthals zu lachen. „Was!? Du hast doch auch in Luxus gelebt und dich keinen Pfifferling um andere geschert! Du hast es geliebt, mit Sakura stundenlang zu spielen. Du kannst mir nicht ehrlich weiß machen, dass du diesen Luxus nicht vermisst! Aber wie... Sag mir, wie willst du das ändern? Denkst du, deine kleine süße Ansprache kann mich aufhalten?“

 

Er spielte an seiner Kette, schritt die paar Stufen hinab und lehnte sich gespannt an eine Löwenstatue.

 

„Das wirst du früh genug mitbekommen... Monster...“ Ihre Stimme wurde leiser.

 

In diesem Moment drückte ihr Vater einen versteckten Schalter an der Statue und ein Gitter fuhr vor ihm hoch. Danach setzte er sich wieder auf seinen Thron und drückte dort gemütlich einen weiteren Schalter.

 

In diesem Moment öffneten sich alle Türen zu diesem Raum und eine Menge schwarz gekleideter Männer und Frauen kamen herein gestürmt.

 

Ginta fuhr hoch. Waren das etwa...?

 

Ja, es waren Shal! Diese Kleidung war unverkennbar!

 

„Sie wird doch nicht etwa...“, flüsterte Jumon.

 

„Doch, sie wird! Und wir helfen ihr!“, antwortete Ginta voller Überzeugung und flüsterte weiter. „Hier ist mein Plan...“

 

 

 

„Du wirst doch jetzt nicht echt die hier alle auf mich hetzen?“, fragte Sayoko.

 

Ihr Vater fing wieder an so komisch zu lachen: „Ja, natürlich! Was denkst du denn? Wofür habe ich denn meine Untergebenen?“

 

„Wie dumm kann man sein!? Du hast dich doch nicht wirklich mit Shal eingelassen?“

 

„Eingelassen? Ich handle mit ihnen, mehr ist das nicht! Ich gebe Geld und von ihnen bekomme ich nun mal besondere Leistungen zurück... Das ist das Gesetz von Geben und Nehmen...“

 

„Geben und Nehmen!? So nennst du das also...“ Sayoko schaute zu Boden und bewegte ihre Hand unter ihren Mantel.

 

„Ich wünsche dir viel Spaß... Einen schönen Tod... Und grüß deine Mutter von mir...“ Ihr Vater nippte genüsslich an einem Glas Wein, das er sich neben sich stehen hatte.

 

Es waren mindestens fünfzig Shal in diesem Raum und umzingelten Sayoko. Diese nahm gerade einen Dolch hervor, dessen Klinge schwarz war. Nur der Rand war golden. Um ihre Hand, in der sie den Dolch hielt, bildete sich etwas Schwarzes. Es sah so aus, als wäre es etwas Schattenartiges, das sich nun auch um die Klinge herum schlang. Komischerweise wurde dieses schwarze Zeug immer mehr und bildete eine große Klinge.

 

Nun war es kein einfacher Dolch mehr, nein, es sah aus, als hätte Sayoko ein Schwert in der Hand.

 

„Lasst uns beginnen...“, sprach sie, lüstern nach Rache.

 

Man hörte plötzlich ein lautes Klirren und Fensterscheiben zerbrachen. Zwei Fenster oben und zwei Fenster unten wurden zerstört.

 

„Du willst doch den ganzen Spaß nicht alleine haben?“, hörte man eine männliche Stimme sagen.

 

„Ich hätte gedacht, wir sind Freunde“, ertönte eine weibliche Stimme.

 

„Wir helfen dir, Sayoko“, sprach eine dritte Stimme.

 

Sayoko blickte um sich. Oben sah sie Ryoma und Ginta, die auf dem Fensterbrett standen. Unten warteten Jumon und Oto.

 

„Was... macht ihr hier?“, wunderte sie sich.

 

„Ach, Sayoko“, fing Ginta an. „Du hättest ruhig etwas sagen können! Ein familiärer Kaffeeklatsch hätte uns nichts ausgemacht!“

 

Ein Lachen unterbrach die Spannung, bis er dann begann, der Kampf...Kapitel 30 – Die Vision gefangen von den Shal - Überarbeitet

 

 

 

Nachdem Sayoko alles erledigt hatte, was sie in Prûo zu erledigen hatte, beschlossen die Freunde, weiter zu reisen. So machten sie sich fertig für die Abreise, aßen vorher noch etwas und machten sich dann auf den Weg.

 

Jumon schlug vor, die Nacht zu nutzen um in die nächste Stadt zu gelangen, sodass ein zu langer Aufenthalt in Kisha City nicht nötig wäre. Geschlafen hatten alle genug, also machten Ginta und seine Freunde sich abends auf den Weg von Prûo nach Kisha City. In dieser Stadt befand sich ein Bahnhof und einer der Züge sollte sie nach Mayima bringen. Denn von dieser Stadt aus war es wirklich kein weiter Weg mehr, bis zum Med-Dorf.

 

Die Nacht brachte eine eigenartige Kühle mit sich, die man sonst in diesen frühsommerlichen Tagen kaum erwartete. Die Freunde liefen still nebeneinander her, betrachteten den Mond und sahen ab und zu die leuchtenden Augen eines der nachtaktiven Tiere. Keiner traute sich, die Stille der Nacht mit unwichtigen Worten zu stören.

 

Sayoko fühlte sich irgendwie erleichtert. Endlich war sie dieses Gewicht los, das sie seid sie damals von Zuhause verschwunden war, mit sich trug. Nun konnte sie loslassen und musste nicht mehr an ihren schrecklichen Vater denken.

 

Am nächsten Morgen, nach dieser langen Wanderung, kamen sie endlich vor den Toren Kisha Citys an. Schöne Verziehrungen hatte das Tor nicht. Das einzig dekorative war ein durch die Witterung abgenutztes Relief eines Zuges. Als sie das Tor durchquerten, überblickten sie erstmal die Häuser und vor allem auch die Hauptstraße Kisha Citys. Es war wirklich eine schöne Stadt. Hier und da war ein kleiner Laden, in dem man interessante Dinge kaufen konnte. Ihr Weg führte sie an allerlei Geschäften und ständen vorbei. Bald sollten sie, nachdem sie einigen Schleichwegen, durch die industrielleren Gebiete der Stadt gefolgt waren, den Bahnhof erreicht haben. In dieser Gegend gab es einige riesige Lagerhallen, die auf noch größeren Grundstücken standen, umringt von hunderten aufeinandergestapelten Containern. Durch den grobmaschigen Zaun, den jedes Grundstück umgab, konnten die Freunde auf die stillen, großen Hallen werfen.

 

An diesem Tag war es extrem windig. Genervt machten sich Sayoko und Oto Zöpfe, denn der Wind schlug die Haare zu oft ins Gesicht. Ryoma, der ja schon einen Zopf trug, störte das nicht sonderlich.

 

Es lag etwas in der Luft. Ginta trug schon die ganze Zeit so ein komisches Gefühl in sich herum. Nicht nur der Wind, der sich immer wieder drehte, als suche er nach etwas, nein, sondern auch eine komische Anspannung in Ginta wendete und wirbelte in ihm in alle Richtungen seines Körpers. Gintas Amulett, das er wie immer um den Hals trug, fing in unregelmäßigen Abständen an, ganz leicht zu vibrieren. Ginta machte sich darüber keinen großen Kopf, denn er diese Vibrationen kaum wahrnahm.

 

Bis auf Jumon und Oto, die sich über die zahlreichen Aufschriften der Container unterhielten und aufblühten, blieben die anderen still. Vielleicht war es doch Müdigkeit, die sich langsam in ihnen breit machte. Vielleicht aber auch nur die Gedanken an etwas anderes.

 

Eine Zugfahrt erwartete die Freunde. Ginta erinnerte sich an einen Ausflug mit seinen Eltern und Soijitonoma. Wieder einmal eine dieser Erinnerungen, bei der er sich nur vage an das Aussehen seiner Eltern erinnerte. Er hatte eigentlich gar keine Photos von seiner Mutter und seinem Vater. Nur ab und zu hatte er davon gehört, wie Soijitonoma von dem wunderschönen Äußeren seiner Mutter schwärmte. Doch komischerweise fiel es Ginta, Jahr um Jahr, immer schwerer sich ein Bild von seiner Mutter zu machen. Bis er sie für die meiste Zeit des Tages, aus seinen traurigen Gedanken bannte.

 

Damals war es ein kühler Frühlingstag. Das Ziel jener Reise war ein riesiger Naturschutzpark nordöstlich von Kueteika, in dem Ginta und seine Familie wilde Tiere beobachten und auch ein Picknick machen wollten. Mit dem Zug war dieser Ort mit einer zweistündigen Fahrt leicht zu erreichen. Damals war Ginta noch total fasziniert gewesen und freute sich, als er zum ersten mal in eine alte Dampflok steigen durfte. Es war seine erste Zugfahrt überhaput gewesen.

 

Voller Aufregung setzte er sich direkt ans Fenster und klebte mit der Nase förmlich an der Scheibe. Diese wunderschönen Landschaften, die er erblickte, diese Bilder in Gintas Kopf von den Feldern, den Wäldern, dem Kirschblütenberg, sie alle kamen wieder hoch. Ob ihm das alles während der bevorstehenden Zugfahrt wieder passieren sollte? Er wusste es noch nicht.

 

Seufzend schritt er voran, dicht gefolgt von den anderen.

 

„Wartet mal“, forderte Jumon und blieb stehen. „Die Geister sind ziemlich unruhig, als wäre etwas schreckliches passiert. Was ist da nur los?“

 

„So wie der Wind“, murmelte Ginta und fuhr sich einmal durch die Haare.

 

„Ja, das nervt ganz schön“, brummte Sayoko, die sich wieder die Haare aus dem Gesicht strich, die nicht im Zopf waren.

 

„Wir sollten vorsichtig sein“, meinte Jumon nur, während er sich weiter Gedanken über diese Unruhe machte, die er nun auch verspührte..

 

Die Freunde gingen weiter.

 

‚Komisch’, überlegte Ginta. ‚Jetzt wo Jumon es erwähnte, merke ich auch wie merkwürdig alles ist. Es sind auch kaum Menschen unterwegs... richtig eigenartig...’

 

Schon bald erreichten sie den Bahnhof. Es war ein großes Bahnhofsgebäude, hinter dem die Gleise lagen. Sie betraten das Gebäude und erblickten einen Zeitungsstand, einen Laden, in dem man noch etwas zu essen kaufen konnte und die Information.

 

Sayoko, die das Geld bei sich trug, ging zuerst in die Information, um die Tickets zu kaufen. Die anderen beschäftigten damit, das Gebäude genauestens von Innen aus zu betrachen.

 

„Guten Morgen“, war Sayokos Begrüßung, obwohl es ja schon fast Mittag war.

 

„Hallo“, entgegnete der Angestellte in einem gestressten Ton.

 

„Ich würde gerne eine Zugfahrt für fünf Personen und eine Katze buchen. Es geht nach Mayima.“

 

Der Angestellte blätterte in einem Buch und fing an: „Heute fährt ein Zug nach Mayima. Die Katze kann kostenlos mitfahren.“

 

Danach sprach der Angestellte noch von dem Preis und Sayoko bezahlte sofort.

 

Als sie jedoch mit den Tickets in der Hand zurück zur Gruppe kam, hörten alle plötzlich eine gigantische Explosion. Es war sogar so schlimm, dass der Boden bebte.

 

„Das kommt von der Richtung, aus der wir kamen“, schoss es aus Jumon.

 

„Na dann, auf los geht’s los!“, lachte Ryoma und rannte los. „So was wollen wir uns doch nicht entgehen lassen!“

 

„Ich hab’s gewusst“, seufzte Ginta und massierte sich seine Schläfen. „Es musste ja kommen. Mein Gefühl hat es mir also schon verraten, dass etwas komisches passieren sollte.“

 

Die Freunde machten sich nun auf den Weg zurück, um herauszufinden, woher diese Explosion stammte.

 

Myu rannte neben Ginta her, denn das Auf und Ab der Tasche, während er rannte, tat ihr wohl nicht sonderlich gut.

 

Als alle ungefähr die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatten, wiederholte sich das Geräusch einer Explosion. Jetzt liefen Ginta und seine Freunde noch schneller.

 

Das Gebiet der Lagerhallen war umzäunt. An manchen Stellen waren große Löcher darin oder es fehlten ganze Abschnitte, durch die man leicht hätte durchsteigen können.

 

Je näher sie dem Ort des Geschehens kamen, desto mehr Leute in Uniformen waren aufzutreffen.

 

„Was macht die denn hier?“, wunderte sich Oto, die nun langsamer lief. „Die sehen aus, wie Polizisten...“

 

Die anderen taten es ihr gleich und blieben dann stehen. Sayoko gab sich einen Ruck und sprach einen Uniformierten, der in der Nähe stand, an und fragte nach, was denn los wäre.

 

„Eine Gruppe komisch gekleideter Leute stiehlt Sachen aus den Lagerhallen. Wenn ihr dort hinter schaut“, er zeigte mit dem Finger an eine recht weit entfernte Lagerhalle, „dann seht ihr einige dieser Leute, die gerade mit unseren Männern kämpfen. Der Anführer dieser Bande benutzt ziemlich komische Magie...“

 

„Danke für die Info“, verabschiedete sich Sayoko und wandte sich zu den anderen. Sie ging ein paar Schritte weiter, sodass keine der Leute sie hätte hören können.

 

„Da sind Shal in den Lagerhallen“, flüsterte sie.

 

„Was wollen die jetzt schon wieder!? Die können auch nie Ruhe geben“, sagte Ginta wütend.

 

„Dann mischen wir sie doch auf!“, meinte Ryoma und streckte seine geballte Faust in den Himmel.

 

Dann kletterten alle über den ca. zwei Meter großen Zaun und liefen zu den Lagerhallen.

 

„HEY! Was macht ihr da!?“, brüllte einer der Männer ihnen hinterher. Sayoko drehte sich im Rennen um und streckte ihm die Zunge raus.

 

Es tauchten auf einmal immer mehr Shal auf, die die Gruppe aber nicht wirklich beachteten. Die Freunde schafften es, unbemerkt an einem Zentrum aus drei großen Lagerhallen anzukommen. Sie versteckten sich hinter den Hallen, denn davor spielte sich der Kampf zwischen den Uniformierten und den Shal ab. Wichtig war es jetzt, erstmal einen Plan zu finden, wie sie vorgehen sollten.

 

„Was ist unser Plan?“, leitete Oto ein.

 

„Wir teilen uns auf“, schlug Ginta vor. „Sayoko und Jumon nehmen sich diese Lagerhalle vor. Oto und Ryoma diese. Ich kümmere mich um diese in der Mitte. Wir erkundigen uns, was die Shal stehlen und vereiteln es so gut wie möglich, in Ordnung? Wie auch immer das geschehen soll, ihr lasst euch sicherlich was Gutes einfallen, stimmt's?“

 

„Aber...“, versuchte Oto einzuwenden, bis sie von einem „Nichts aber!“ von Ginta unterbrochen wurde.

 

Dann machte er sich auf den Weg.

 

„Ich hoffe, er dreht nicht durch. Wir kennen seinen Hass gegenüber diesen Shal“, meinte Ryoma.

 

„Hoffentlich beherrscht er sich“, bemerkte Jumon.

 

„Ich hoffe, dass ihm nichts passiert“, meinte Oto. Danach teilte sich auch der Rest der Gruppe auf.

 

Ginta schlich mittlerweile durch die riesige Lagerhalle, in der ziemlich viele riesige Container standen, die denen von Draußen stark ähnelten. Ab und zu gingen ein paar Shal durch die Halle, doch Ginta hatte Glück, versteckte sich immer und ließ sich nicht erwischen. Für ihn war es dann ein kleiner Adrenalinschock, wenn er den Blick der Shal entging. Seine Aufgabe war es jetzt erst einmal, die Lage abzuklären.

 

Plötzlich kam wieder dieses komische Gefühl in ihm hoch. Es verwirrte ihn aber diesmal nicht, so wie vorher, sondern es leitete und führte ihn eher durch dieses Labyrinth der Lagerhalle.

 

Leise flüsterte eine unverständliche Stimme in Gintas Kopf. Überrascht darüber versuchte er genauer hinzuhören, doch es war nicht möglich, diese genau zu verstehen. Aber trotzdem wusste er, dass er jetzt etwas zu tun hatte. Er musste herausfinden woher dieses Flüstern kam und was es mit den Shal zu tun hatte.

 

Ginta kam zu einer Treppe. Langsam stieg er sie hinab und betrat einen Raum, der aus vielen gefängnisartigen Zellen bestand.

 

Plötzlich bekam er Kopfschmerzen, die Stimme wurde immer lauter, aber kein Shal oder weitere Personen waren in diesem Raum, wie er bemerkte, als er Zelle für Zelle einzeln betrachtete.

 

„Ginta“, flüsterte diese Stimme und er schritt zu einer gut verborgenen Zelle in einer Ecke des länglichen Raumes.

 

„Endlich bist du da“, sagte ein Mädchen mit langen blauen Haaren, die an den Gittern der Zelle stand und ihn erwartungsvoll anblickte. Tränen liefen ihr Gesicht hinab.

Ginta erwiderte erschrocken ihren Blick. Wer war sie?

Kapitel 29 - Sayokos Blut II

 

 

 

Da standen sie nun. Zusammen mit Sayoko in der Mitte eines riesigen Saales, umgeben von lauter Shal. Sayoko fasste es immer noch nicht, dass die anderen sie gefunden hatten und ihr sogar halfen. Sie war doch bisher so kalt zu ihnen gewesen. Außerdem versuchte sie auch wirklich keine Freundschaften einzugehen. Aber trotzdem ist es passiert. Wieso nur? Ein komisches Gefühl macht sich in ihr breit. Es fühlte sich warm an und als ob tausende Dinge in ihr rumkrabbeln würden. War es etwas Liebe?

 

Nein, das konnte nicht sein.

 

Sie schaute sich um. Sie sah in die Gesichter von Ginta, Oto, Ryoma und Jumon. Wieder durchfuhr sie dieses Gefühl.

 

Einerseits hatte sie Angst, aber diese verflog schnell. Andererseits wollte sie dieses Gefühl nie wieder verlieren. Es fühlte sich für sie so unbeschreiblich toll an. War es etwa das selbe wie damals? Nein. Irgendwie war es anders. Diesmal fühlte sie sich geborgen und geholfen.

 

"Danke....", nuschelte sie.

 

"Lasst uns beginnen!", rief Ryoma und strecke seinen Arm provokant nach oben.

 

 

 

Gleich zu Anfang stürmten einige Shal auf Ryoma und Ginta zu und attackierten sie mit Schwertern und Schlagstöcken. Für Ryoma war es wirklich nicht schwer, gegen fünf Schwertkämpfer gleichzeitig anzutreten. Seine Bewegungen und die des Schwertes waren eins. Sie bildeten sozusagen eine Einheit.

 

Ginta bekämpfte andere mit seinem Stab.

 

Oto blieb in der Mitte stehen und unterstützte alle, so gut es nur ging. Sie versuchte einige Shal mit ihrem Messer zu verwunden.

 

Jumon beschwörte wieder einen seiner Geister, die für ihn kämpften. Dieser war sehr wendig. Seine langen Arme und Beine hatten scharfe Krallen, die viele Shal stark verletzten.

 

Sayoko war immer noch so fasziniert davon, wie sehr sich diese vier Personen für sie einsetzten. Sie hob ebenfalls ihren Dolch und stürzte sich in das Getümmel.

 

Besonders sie bekam viel Unterstützung von Oto. Für einen Moment vergaß sie den ganzen Schmerz, den sie durch ihren Vater ertragen hatte. Sie fühlte sich nun freier.

 

Der Kampf ging weiter.  Ginta attackierte nun auch mit Windstößen und schleuderte so mehrere Shal gleichzeitig zurück.

 

 

 

Nach einiger Zeit veränderte sich der Kampfablauf etwas. Dieser magische Angriff von Ginta setzte grünes Licht für die Magier unter den Shal. Ginta kletterte wieder auf eine der Fensterbänke und attackierte weiter mit seinen Wind-Attacken. Jumon kämpfte beiseite des Geistes und Ryoma kümmerte sich nun nur noch um die Nahkämpfer. Kleine Wunden die alle davon trugen heilte Oto schnell und so ging der Kampf unaufhörlich weiter.

 

Sayoko tanzte fast durch die Menge der Shal und erledigte einen nach dem anderen.

 

Die Magier unter den Shal begannen nun Zauber wie Pecibur, eine Art Erdbeben, oder Sorka, eine Donnerklinge, auf zu sagen und schwächten die fünf enorm. Ginta und Oto wehrten aber die meisten dieser Attacken mit dem entsprechenden Winden oder Wassertürmen auf.

 

Als ungefähr die Hälfte der Shal auf dem Boden lagen, stürmten wieder genauso viel Shal von den Eingängen in den Saal herein.

 

Ab und zu konnte man ein Lachen von Sayokos Vater, Goyoko, hören, das Sayoko nur noch mehr anspornte.

 

Jeder unserer Freunde konnte spüren, welche geballte Kraft sie entwickelte.

 

Glücklicherweise stoppte der "Nachschub" der Shal allmählich.

 

"Gib dich geschlagen, Sayoko", sprach ihr Vater, "Du wirst den Tod deiner Mutter niemals rächen! Niemals, hast du verstanden!?"

 

Er fing wieder an, so verrückt zu lachen und nippte an seinem Wein.

 

Sayoko blieb stehen. Um ihr rum lagen ein Haufen von reglosen Körpern. Sie entwickelte eine immense Aura, die für jeden spürbar wurde.

 

Die Konzentratzion aller lag nicht mehr auf dem Kampf, nein, sie blickten alle zu Sayoko. Langsam schritt sie dem Gitter entgegen.

 

"Wir glauben an dich!", rief Ginta, der immernoch dabei war, Magier auszuschalten.

 

"Du packst das schon!", antwortete Ryoma.

 

Dabei wussten alle gar nicht, was Sayoko nun vor hatte. Sie krallte sich mit ihren Händen an dem Gitter fest, das darauf hin anfing zu rütteln. Sie bewegte sich nicht großartig, weswegen dies ziemlich komisch aussah. Auf einmal zersprang das Gitter in tausend kleine Teile, die in alle Richtungen flogen.

 

Ihr langes Haar hing ihr über das Gesicht.

 

Sie ging weiter die Treppen hoch und stand vor ihrem Vater. Goyoko drückte wild alle Knöpfe seines Throns und versuchte sich auf irgendeine Art zu retten, was jedoch nicht klappte. Sayoko hob ihre Faust und schlug ihren Vater vom seinem Sitz, sodass er auf dem Boden lag.

 

Wiederholt hob sie ihre Hand und schleuderte nun eine schwarze Energiekugel auf ihn. Wie gelähmt lag er auf dem Boden.

 

Es herrschte Stille. Alle Shal waren nun von Ginta, Ryoma, Oto und Jumon komplett besiegt worden. Gespannt sahen sie dem Geschehniss zu.

 

"Böse Seele, wandelst du durch dunkle Pfade?", sprach Sayoko, "Böse Seele, finde deine Ruh'"

 

Sie schlenderte zu ihrem Vater hin, kniete sich neben ihn und zog ihren Dolch aus der Halterung unter ihrem Mantel.

 

"Böse Seele, finde deine Ruh'"

 

Tränen der Trauer und auch der Erleichterung kullerten ihr Gesicht hinab. Ein paar davon tropften auf den Körper ihres Vaters.

 

Mit zitternder Hand rammte sie ihren Dolch in das Herz ihres Vaters.

 

Die Stille wollte nicht brechen. Ryoma drückte die weinende Oto an seine Brust. Jumon sah nur zu. Ginta, der sein Amulett in seinen Händen hielt, spürte den Schmerz den Sayoko durch machen musste. Er verstand sie nun. Er verstand, was sie fühlte, wie sie dachte.

 

Sayoko saß weinend an ihrem Vater. Der, durch das Blut beschmutzte, Dolch lag in ihrer Hand.

 

"Mutter...", flüsterte sie, "Mutter... Ich habe es geschafft. Vater ist nun Tod. Er wird niemanden mehr etwas antun... Warum.... Warum hast du mir nie geantwortet? Ich lernte doch einzig und allein doch nur die Wahrsagerei nur damit ich einmal mit dir reden kann... ich.... ich vermisse dich, Mutter...."

 

"Ginta", flüsterte Jumon zu Ginta gewandt, "Da... da ist jemand bei Sayoko...."

 

"Du meinst, ein Geist?"

 

"Ja... ein Geist.... Soll ich ihr?"

 

"Nein... lass mich das machen..."

 

Er ging zu ihr und saß sich neben sie. Sayoko blickte ihm direkt in die Augen und brachte kein Wort heraus.

 

"Sie...", fing Ginta an, "Sie ist bei dir, in diesem Moment..."

 

Sayoko machte große Augen.

 

"Du meinst....?", fragte sie erwartungsvoll.

 

Ginta nickte. In diesem Moment drückte sie sich fest an seinen Körper, worauf er rot wie eine Tomate wurde.

 

"Danke Ginta...", nuschelte sie, "Danke für eure Hilfe..."

 

"Sayoko....", sprach er weiter, "Würdest du uns die Ehre erweisen und weiter mit uns reisen? Es würde mich und vorallem auch die anderen sicherlich freuen."

 

Ginta lächelte sie an.

 

"Ich werde gern weiter mit euch reisen."

 

Beide standen auf.

 

"Ginta.... uns verbindet etwas besonderes. Du weißt, wir beide haben dieses eine 'Abenteuer' erlebt. Außerdem...."

 

Sie nahm seine Hand und stach ein kleines Loch mit ihrem Dolch in seinen Zeigefinger. Danach tat sie das gleich bei sich. Anschließend drückte sie beide Fingerspitzen aneinander.

 

"Außerdem haben wir nun eine Blutsfreundschaft."

 

Ginta grinste. Es fühlte sich nun viel mehr so an, als hätte er mit Sayoko eine starke Freundschaft begonnen.

 

"Sayoko ist nun ein offizielles Mitglied unserer Gruppe. Sie wird uns weiter mit begleiten", verkündete Ginta stolz.

 

"Juhuu!", rief Oto und umarmte Sayoko.

 

Sayoko grinste. Endlich hatte sie diesen Albtraum hinter sich gelassen.

 

 

 

Es folgte die Plünderung der Besitztümer von Sayokos Vater. Nun, eigentlich schnappte sich Sayoko nur eine Umhängetasche, packte dort ein Photo ihrer Mutter hinein und ein paar andere Dinge wie Kleidung und Accessoirs. Außerdem schnappte sie sich noch viel viel Geld und sorgte dafür, dass der Rest des Vermögens an Waisenhäuser und Straßenkinder gespendet wurde.

 

In der folgenden Nacht blieben sie noch in einem Recht billigen Hotel und wollten sich dann am nächsten Morgen auf dem Weg nach Kisha City machen, in der auf sie der Zug wartete. Dieser würde sie dann recht schnell und bequem nach Mayima bringen.

 

Kapitel 30 – Die Vision gefangen von den Shal

 

 

 

Nachdem Sayoko alles erledigt hatte, was sie in Prûo zu erledigen hatte, beschlossen die Freunde, weiter zu reisen. So machten sie sich fertig für die Abreise, aßen vorher noch etwas und machten sich dann auf den Weg.

 

Jumon schlug vor, die Nacht zu nutzen um in die nächste Stadt zu gelangen, sodass ein zu langer Aufenthalt in Kisha City nicht nötig wäre. Geschlafen hatten alle genug, also machten Ginta und seine Freunde sich abends auf den Weg von Prûo nach Kisha City. In dieser Stadt befand sich ein Bahnhof und einer der Züge sollte sie nach Mayima bringen. Denn von dieser Stadt aus war es wirklich kein weiter Weg mehr, bis zum Med-Dorf.

 

Die Nacht brachte eine eigenartige Kühle mit sich, die man sonst in diesen frühsommerlichen Tagen kaum erwartete. Die Freunde liefen still nebeneinander her, betrachteten den Mond und sahen ab und zu die leuchtenden Augen eines der nachtaktiven Tiere. Keiner traute sich, die Stille der Nacht mit unwichtigen Worten zu stören.

 

Sayoko fühlte sich irgendwie erleichtert. Endlich war sie dieses Gewicht los, das sie seid sie damals von Zuhause verschwunden war, mit sich trug. Nun konnte sie loslassen und musste nicht mehr an ihren schrecklichen Vater denken.

 

Am nächsten Morgen, nach dieser langen Wanderung, kamen sie endlich vor den Toren Kisha Citys an. Schöne Verziehrungen hatte das Tor nicht. Das einzig dekorative war ein durch die Witterung abgenutztes Relief eines Zuges. Als sie das Tor durchquerten, überblickten sie erstmal die Häuser und vor allem auch die Hauptstraße Kisha Citys. Es war wirklich eine schöne Stadt. Hier und da war ein kleiner Laden, in dem man interessante Dinge kaufen konnte. Ihr Weg führte sie an allerlei Geschäften und ständen vorbei. Bald sollten sie, nachdem sie einigen Schleichwegen, durch die industrielleren Gebiete der Stadt gefolgt waren, den Bahnhof erreicht haben. In dieser Gegend gab es einige riesige Lagerhallen, die auf noch größeren Grundstücken standen, umringt von hunderten aufeinandergestapelten Containern. Durch den grobmaschigen Zaun, den jedes Grundstück umgab, konnten die Freunde auf die stillen, großen Hallen werfen.

 

An diesem Tag war es extrem windig. Genervt machten sich Sayoko und Oto Zöpfe, denn der Wind schlug die Haare zu oft ins Gesicht. Ryoma, der ja schon einen Zopf trug, störte das nicht sonderlich.

 

Es lag etwas in der Luft. Ginta trug schon die ganze Zeit so ein komisches Gefühl in sich herum. Nicht nur der Wind, der sich immer wieder drehte, als suche er nach etwas, nein, sondern auch eine komische Anspannung in Ginta wendete und wirbelte in ihm in alle Richtungen seines Körpers. Gintas Amulett, das er wie immer um den Hals trug, fing in unregelmäßigen Abständen an, ganz leicht zu vibrieren. Ginta machte sich darüber keinen großen Kopf, denn er diese Vibrationen kaum wahrnahm.

 

Bis auf Jumon und Oto, die sich über die zahlreichen Aufschriften der Container unterhielten und aufblühten, blieben die anderen still. Vielleicht war es doch Müdigkeit, die sich langsam in ihnen breit machte. Vielleicht aber auch nur die Gedanken an etwas anderes.

 

Eine Zugfahrt erwartete die Freunde. Ginta erinnerte sich an einen Ausflug mit seinen Eltern und Soijitonoma. Wieder einmal eine dieser Erinnerungen, bei der er sich nur vage an das Aussehen seiner Eltern erinnerte. Er hatte eigentlich gar keine Photos von seiner Mutter und seinem Vater. Nur ab und zu hatte er davon gehört, wie Soijitonoma von dem wunderschönen Äußeren seiner Mutter schwärmte. Doch komischerweise fiel es Ginta, Jahr um Jahr, immer schwerer sich ein Bild von seiner Mutter zu machen. Bis er sie für die meiste Zeit des Tages, aus seinen traurigen Gedanken bannte.

 

Damals war es ein kühler Frühlingstag. Das Ziel jener Reise war ein riesiger Naturschutzpark nordöstlich von Kueteika, in dem Ginta und seine Familie wilde Tiere beobachten und auch ein Picknick machen wollten. Mit dem Zug war dieser Ort mit einer zweistündigen Fahrt leicht zu erreichen. Damals war Ginta noch total fasziniert gewesen und freute sich, als er zum ersten mal in eine alte Dampflok steigen durfte. Es war seine erste Zugfahrt überhaput gewesen.

 

Voller Aufregung setzte er sich direkt ans Fenster und klebte mit der Nase förmlich an der Scheibe. Diese wunderschönen Landschaften, die er erblickte, diese Bilder in Gintas Kopf von den Feldern, den Wäldern, dem Kirschblütenberg, sie alle kamen wieder hoch. Ob ihm das alles während der bevorstehenden Zugfahrt wieder passieren sollte? Er wusste es noch nicht.

 

Seufzend schritt er voran, dicht gefolgt von den anderen.

 

„Wartet mal“, forderte Jumon und blieb stehen. „Die Geister sind ziemlich unruhig, als wäre etwas schreckliches passiert. Was ist da nur los?“

 

„So wie der Wind“, murmelte Ginta und fuhr sich einmal durch die Haare.

 

„Ja, das nervt ganz schön“, brummte Sayoko, die sich wieder die Haare aus dem Gesicht strich, die nicht im Zopf waren.

 

„Wir sollten vorsichtig sein“, meinte Jumon nur, während er sich weiter Gedanken über diese Unruhe machte, die er nun auch verspührte..

 

Die Freunde gingen weiter.

 

‚Komisch’, überlegte Ginta. ‚Jetzt wo Jumon es erwähnte, merke ich auch wie merkwürdig alles ist. Es sind auch kaum Menschen unterwegs... richtig eigenartig...’

 

Schon bald erreichten sie den Bahnhof. Es war ein großes Bahnhofsgebäude, hinter dem die Gleise lagen. Sie betraten das Gebäude und erblickten einen Zeitungsstand, einen Laden, in dem man noch etwas zu essen kaufen konnte und die Information.

 

Sayoko, die das Geld bei sich trug, ging zuerst in die Information, um die Tickets zu kaufen. Die anderen beschäftigten damit, das Gebäude genauestens von Innen aus zu betrachen.

 

„Guten Morgen“, war Sayokos Begrüßung, obwohl es ja schon fast Mittag war.

 

„Hallo“, entgegnete der Angestellte in einem gestressten Ton.

 

„Ich würde gerne eine Zugfahrt für fünf Personen und eine Katze buchen. Es geht nach Mayima.“

 

Der Angestellte blätterte in einem Buch und fing an: „Heute fährt ein Zug nach Mayima. Die Katze kann kostenlos mitfahren.“

 

Danach sprach der Angestellte noch von dem Preis und Sayoko bezahlte sofort.

 

Als sie jedoch mit den Tickets in der Hand zurück zur Gruppe kam, hörten alle plötzlich eine gigantische Explosion. Es war sogar so schlimm, dass der Boden bebte.

 

„Das kommt von der Richtung, aus der wir kamen“, schoss es aus Jumon.

 

„Na dann, auf los geht’s los!“, lachte Ryoma und rannte los. „So was wollen wir uns doch nicht entgehen lassen!“

 

„Ich hab’s gewusst“, seufzte Ginta und massierte sich seine Schläfen. „Es musste ja kommen. Mein Gefühl hat es mir also schon verraten, dass etwas komisches passieren sollte.“

 

Die Freunde machten sich nun auf den Weg zurück, um herauszufinden, woher diese Explosion stammte.

 

Myu rannte neben Ginta her, denn das Auf und Ab der Tasche, während er rannte, tat ihr wohl nicht sonderlich gut.

 

Als alle ungefähr die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht hatten, wiederholte sich das Geräusch einer Explosion. Jetzt liefen Ginta und seine Freunde noch schneller.

 

Das Gebiet der Lagerhallen war umzäunt. An manchen Stellen waren große Löcher darin oder es fehlten ganze Abschnitte, durch die man leicht hätte durchsteigen können.

 

Je näher sie dem Ort des Geschehens kamen, desto mehr Leute in Uniformen waren aufzutreffen.

 

„Was macht die denn hier?“, wunderte sich Oto, die nun langsamer lief. „Die sehen aus, wie Polizisten...“

 

Die anderen taten es ihr gleich und blieben dann stehen. Sayoko gab sich einen Ruck und sprach einen Uniformierten, der in der Nähe stand, an und fragte nach, was denn los wäre.

 

„Eine Gruppe komisch gekleideter Leute stiehlt Sachen aus den Lagerhallen. Wenn ihr dort hinter schaut“, er zeigte mit dem Finger an eine recht weit entfernte Lagerhalle, „dann seht ihr einige dieser Leute, die gerade mit unseren Männern kämpfen. Der Anführer dieser Bande benutzt ziemlich komische Magie...“

 

„Danke für die Info“, verabschiedete sich Sayoko und wandte sich zu den anderen. Sie ging ein paar Schritte weiter, sodass keine der Leute sie hätte hören können.

 

„Da sind Shal in den Lagerhallen“, flüsterte sie.

 

„Was wollen die jetzt schon wieder!? Die können auch nie Ruhe geben“, sagte Ginta wütend.

 

„Dann mischen wir sie doch auf!“, meinte Ryoma und streckte seine geballte Faust in den Himmel.

 

Dann kletterten alle über den ca. zwei Meter großen Zaun und liefen zu den Lagerhallen.

 

„HEY! Was macht ihr da!?“, brüllte einer der Männer ihnen hinterher. Sayoko drehte sich im Rennen um und streckte ihm die Zunge raus.

 

Es tauchten auf einmal immer mehr Shal auf, die die Gruppe aber nicht wirklich beachteten. Die Freunde schafften es, unbemerkt an einem Zentrum aus drei großen Lagerhallen anzukommen. Sie versteckten sich hinter den Hallen, denn davor spielte sich der Kampf zwischen den Uniformierten und den Shal ab. Wichtig war es jetzt, erstmal einen Plan zu finden, wie sie vorgehen sollten.

 

„Was ist unser Plan?“, leitete Oto ein.

 

„Wir teilen uns auf“, schlug Ginta vor. „Sayoko und Jumon nehmen sich diese Lagerhalle vor. Oto und Ryoma diese. Ich kümmere mich um diese in der Mitte. Wir erkundigen uns, was die Shal stehlen und vereiteln es so gut wie möglich, in Ordnung? Wie auch immer das geschehen soll, ihr lasst euch sicherlich was Gutes einfallen, stimmt's?“

 

„Aber...“, versuchte Oto einzuwenden, bis sie von einem „Nichts aber!“ von Ginta unterbrochen wurde.

 

Dann machte er sich auf den Weg.

 

„Ich hoffe, er dreht nicht durch. Wir kennen seinen Hass gegenüber diesen Shal“, meinte Ryoma.

 

„Hoffentlich beherrscht er sich“, bemerkte Jumon.

 

„Ich hoffe, dass ihm nichts passiert“, meinte Oto. Danach teilte sich auch der Rest der Gruppe auf.

 

Ginta schlich mittlerweile durch die riesige Lagerhalle, in der ziemlich viele riesige Container standen, die denen von Draußen stark ähnelten. Ab und zu gingen ein paar Shal durch die Halle, doch Ginta hatte Glück, versteckte sich immer und ließ sich nicht erwischen. Für ihn war es dann ein kleiner Adrenalinschock, wenn er den Blick der Shal entging. Seine Aufgabe war es jetzt erst einmal, die Lage abzuklären.

 

Plötzlich kam wieder dieses komische Gefühl in ihm hoch. Es verwirrte ihn aber diesmal nicht, so wie vorher, sondern es leitete und führte ihn eher durch dieses Labyrinth der Lagerhalle.

 

Leise flüsterte eine unverständliche Stimme in Gintas Kopf. Überrascht darüber versuchte er genauer hinzuhören, doch es war nicht möglich, diese genau zu verstehen. Aber trotzdem wusste er, dass er jetzt etwas zu tun hatte. Er musste herausfinden woher dieses Flüstern kam und was es mit den Shal zu tun hatte.

 

Ginta kam zu einer Treppe. Langsam stieg er sie hinab und betrat einen Raum, der aus vielen gefängnisartigen Zellen bestand.

 

Plötzlich bekam er Kopfschmerzen, die Stimme wurde immer lauter, aber kein Shal oder weitere Personen waren in diesem Raum, wie er bemerkte, als er Zelle für Zelle einzeln betrachtete.

 

„Ginta“, flüsterte diese Stimme und er schritt zu einer gut verborgenen Zelle in einer Ecke des länglichen Raumes.

 

„Endlich bist du da“, sagte ein Mädchen mit langen blauen Haaren, die an den Gittern der Zelle stand und ihn erwartungsvoll anblickte. Tränen liefen ihr Gesicht hinab.

Ginta erwiderte erschrocken ihren Blick. Wer war sie?